Medizin:Mehr Anerkennung, mehr Gehalt für Pflegekräfte

Rollstuhlfahrerin im Pflegeheim, 2016

Pflege von alten oder kranken Menschen ist harte und wichtige Arbeit.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Kampf gegen den chronischen Personalmangel zahlen Kliniken mittlerweile Kopfgeld, um Krankenschwestern anzulocken. Doch das ist Unsinn.

Kommentar von Astrid Viciano

Ein Kopfgeld soll also die Rettung bringen, so zumindest hoffen es wohl die Zuständigen an der Charité in Berlin. Zwischen 300 und 1000 Euro erhalten Klinikmitarbeiter künftig, wenn sie neues Pflegepersonal vermitteln.

Die Charité ist damit nicht die erste Klinik in Deutschland, längst haben andere Häuser diese und andere Lockmittel ins Spiel gebracht: Massagen fürs Personal etwa oder eine Kinderbetreuung in den Schulferien. Das ist in etwa so, als würde man einem Schwerverletzten in der Notaufnahme statt einer Therapie Schokolade anbieten.

Es grassiert eine schwere Krankheit im deutschen Gesundheitswesen, ihre Symptome äußern sich in mangelnder Wertschätzung und Gleichgültigkeit. Wen schert schon die Arbeitswelt von Krankenschwestern? Wen kümmert es, dass immer weniger Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern für immer mehr Patienten zuständig sind?

Stress und Erschöpfung, Hetze und Frust sind die Folge bei Krankenschwestern und Pflegern

Die durchschnittliche Zahl der Patienten pro Pflegekraft stieg in den Kliniken innerhalb von 20 Jahren bis 2014 von 45 auf 60 an, hieß es in einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Noch dazu werden die Patienten immer älter und brauchen mehr statt weniger Zuwendung.

Stress und Erschöpfung, Hetze und Frust sind die Folge bei Krankenschwestern und Pflegern, Menschen also, die vor allem aus Empathie ihren Beruf ergriffen haben. Die Krankenschwester ist schließlich diejenige, die nachts ans Patientenbett eilt, wenn ein schmerzgeplagter Mensch um ein Medikament bittet. Sie reicht die tröstende Hand, wenn niemand den alten Menschen auf Station besucht. Sie bildet mit wachem Auge und tatkräftiger Hand ein wichtiges Bindeglied zwischen Patient und Ärzten.

Im irrsinnigen, stets schneller kreisenden Klinikkarussell geht jedoch die Empathie fast zwangsläufig verloren; in ihrer Not reagieren Krankenschwestern und Pfleger oft sogar ablehnend auf ihre Patienten, was natürlich weder der Genesung der Kranken noch der eigenen Gesundheit dient. Doch die Krankenschwester, die lauthals mehr Gehalt und Respekt verlangt, passt wohl bis heute nicht in das noch immer idealisierte Berufsbild.

Stattdessen zieht sie lieber ins Ausland. Jenseits der deutschen Grenzen findet die Ausbildung des Pflegepersonals nämlich häufig an Universitäten statt. Was in Deutschland mit neuen Studiengängen der Pflegewissenschaften ansatzweise versucht wird, ist anderenorts längst Alltag: dass Pflegekräfte als Akademiker in Kliniken auf Augenhöhe mitdiskutieren. Damit auch dem Letzten dämmert, wie wichtig und wertvoll die Pflege von Menschen ist.

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