Altersforschung:Medikamente lassen Mäuse länger leben

Tierversuche

Im Labor wirken viele Substanzen noch vielversprechend bei den Versuchstieren. Der Test an Menschen ist dann oft ernüchternd.

(Foto: dpa)
  • Mit speziellen Wirkstoffen räumten Mediziner gezielt alternde Zellen aus den Körpern von Mäusen.
  • Die Versuchstiere lebten daraufhin 36 Prozent länger als die unbehandelte Vergleichsgruppe.
  • Die Wirkstoffe werden gerade an kranken Menschen getestet.

Von Stephanie Göing

Der Traum vieler Menschen, nicht nur länger zu leben, sondern auch mit weniger Alterserscheinungen und Krankheiten das hohe Alter zu erreichen - zumindest für Mäuse könnte er bald Realität werden. Mit speziellen Wirkstoffen räumten Mediziner gezielt alternde Zellen aus den Körpern der Nager. Daraufhin verlängerte sich nicht nur deren Lebensdauer, die Versuchstiere blieben in dieser zusätzlichen Lebenszeit auch gesund und fit wie deutlich jüngere Tiere.

Das Team von James Kirkland von der Mayo Klinik in Rochester, USA, hatte bereits vor einigen Jahren beobachtet, dass unter anderem alternde Zellen dafür sorgen, dass der Körper gebrechlich wird. Fachleute nennen diese Zellen "seneszent". Über die Jahre sammeln sich Fehler in ihrem Erbgut an, irgendwann funktionieren sie nicht mehr richtig und schalten sich schließlich in einen Ruhezustand. In diesem Stadium aktivieren die Zellen ein biologisches Programm, das dafür sorgt, dass sie nicht sterben oder vom Immunsystem eliminiert werden. Sie sammeln sich im Körper an und senden Botenstoffe aus, die dazu beitragen, dass der Körper allmählich Alterserscheinungen zeigt.

Ein längeres Leben - aber nicht mehr Gebrechlichkeit

Kirkland und seine Kollegen überlegten, welchen Effekt es wohl haben würde, ließen sich die seneszenten Zellen einfach aus dem Körper entfernen. Sie setzten dabei auf sogenannte Senolytika, das sind Stoffe, die gezielt seneszente Zellen zum Absterben bringen können. Diese Substanzen schalten jene biochemischen Signalmoleküle stumm, die zuvor dafür gesorgt haben, dass die Zellen weiterleben, obwohl sie inaktiv und kaputt sind. Da diese Signalwege in normalen Zellen gar nicht aktiv sind, bleiben sie von der Wirkung der Senolytika verschont und nur alte Zellen sterben. Einzelne senolytische Stoffe eliminieren immer nur eine bestimmte Gruppen seneszenter Zellen, im Falle von Kirklands Untersuchung waren es Fettzellen.

Die Forscher verabreichten 24 bis 27 Monate alten Mäusen, das entspricht bei Menschen etwa einem Alter von 75 bis 90 Jahren, einen senolytischen Wirkstoffmix. Für die Tiere erwies sich die Rezeptur wie eine Verjüngungskur. Behandelte Tiere lebten 36 Prozent länger als Vergleichsmäuse, waren aber ihren letzten Lebensmonaten genauso fit wie diese. Laufgeschwindigkeit, Muskelstärke und physische Ausdauer zeigten keine Unterschiede, ebenso wenig die Häufigkeit von Krankheiten. Auch die Menge an Signalmolekülen, die den Körper gebrechlich werden lassen, nahm deutlich ab. Die Forscher sprechen in ihrer im Fachmagazin Nature Medicine veröffentlichten Studie enthusiastisch von einer Verlängerung der "Health Span" in Kombination mit der "Life Span".

"Wir erleben gerade eine Hype-Phase"

Kann das auch bei Menschen klappen? Derzeit testet die Mayo Klinik die beiden verwendeten Senolytika "Dasatinib" und "Quercetin" an Menschen, um den Effekt auch dort zu zeigen. Die Testpersonen leiden unter chronischer Niereninsuffizienz, die als Spätfolge einer Diabetes-Erkrankung auftrat. Die Zucker-Stoffwechselstörung steht mit seneszenten Fettzellen in Verbindung. Die Studie soll klären, ob es diesen Patienten hilft, wenn deren alternde Fettzellen aus dem Körper entfernt werden.

"Ich verstehe die Begeisterung", sagt Christoph Englert vom Leibniz-Institut für Alternsforschung. Die "selektive Inaktivierung seneszenter Zellen" sei gerade in einer "Hype-Phase". Er selbst würde die Stoffe allerdings nicht nehmen. Er ist sich sicher, dass Seneszenz eine wichtige Rolle spielt. "Warum sonst entsorgt der Körper die alten Zellen nicht von selbst? Wären diese Zellen nur negativ für uns, hätte die Natur sie im Laufe der Zeit längst ausgemerzt", sagt Englert. Es gebe Anzeichen, dass seneszente Zellen wichtig sein könnten, etwa für die Regeneration. So produzieren sie bei Wundheilung Botenstoffe, die für eine schnelle Reparatur sorgen und haben eine Stützfunktion im Gewebe.

Noch ist unklar, was genau beim Altern passiert

Und ganz so simpel wie im Mäuseversuch darf man sich eine tatsächliche Anwendung der Synolytika in naher Zukunft nicht vorstellen. Die verwendeten Wirkstoffe Desatinib und Quercetin sind eigentlich Medikamente für ganz andere Zwecke: Sie werden in der Krebstherapie eingesetzt. Denn die Programme, die seneszente Zellen davor bewahren, zu sterben oder von der Immunabwehr entdeckt zu werden, sind auch in Krebszellen sehr aktiv - und daher ein guter Angriffspunkt.

Bei den Versuchstieren zeigten sich zwar keine gefährlichen Nebenwirkungen, doch dass es solche bei Menschen geben kann, ist bekannt. Auch andere Zellen, etwa Stammzellen, aktivieren teilweise solche Signalwege und könnten daher von den Senolytika betroffen sein. Auch wirken sie nur an bestimmten seneszenten Zellen im Körper. Altern passiert aber immer auf verschiedenen Ebenen im Körper, wovon Zellen nur eine darstellen, und unterscheidet sich auch von Mensch zu Mensch. "Diese Forschung ist sicherlich spannend", meint Englert. "Doch das muss alles erst einmal in Ruhe getestet werden. Noch hat man nicht einmal so recht verstanden, was genau beim Altern passiert."

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