Medizin - Magdeburg:Mangel an Medizinern: SPD will Landarzt-Programm ausweiten

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Petra Grimm-Benne (SPD), Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin. Foto: Ronny Hartmann/dpa (Foto: dpa)

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Magdeburg (dpa/sa) - Pfleger, Fachmediziner, Landärzte: In Sachsen-Anhalts Gesundheitssystem herrscht in fast allen Bereichen Fachkräftemangel. "Wir haben viele freie Kassensitze, und das wird sich noch weiter verschärfen", sagte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Rund 278 Kassensitze für Hausärzte sind demnach in Sachsen-Anhalt vakant, außerdem sind Plätze für 63 Fachärzte und 42 Psychotherapeuten unbesetzt.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sind weiterhin vor allem Arztstellen auf dem Land nur schwer zu besetzen. Von 278 freien Hausarzt-Stellen außerhalb der kreisfreien Städte Magdeburg und Halle Anfang 2020 waren Ende des Jahres noch 274,5 unbesetzt. Viele weitere werden in den kommenden Jahren hinzukommen: Laut KV waren Mitte 2020 bereits 179 Hausärzte über 65, das war mehr als jeder zehnte (12 Prozent). Außerdem waren 197 Fachärzte (9 Prozent) und 39 Psychotherapeuten (8 Prozent) eigentlich schon im Rentenalter.

Eine der höchsten Hürden auch auf dem Weg zum Land-Arzt ist der hohe Numerus clausus (NC) für ein Medizinstudium. Viele Bewerber warten in Deutschland Jahre auf einen der begehrten Plätze.

Ihnen bietet das Land seit vorigem Jahr einen Deal an: Rund 20 Studienplätze sollen pro Jahr nicht nach der Abiturnote, sondern nach einem eigenen Bewertungssystem vergeben werden, das etwa Berufserfahrung im medizinischen Bereich stärker gewichtet. Wer sich auf einen dieser Plätze bewirbt, verpflichtet sich, nach dem Studium mindestens zehn Jahre als Hausarzt im ländlichen Raum zu praktizieren.

21 Studienplätze wurden 2020 bereits nach dieser sogenannten Landarztquote vergeben, in diesem Jahr sollen es ähnlich viele werden. Die Studenten im Sommer in ihrem Ministerium zu begrüßen sei der schönste Termin des Jahres gewesen, sagte Ministerin Grimm-Benne. "Das waren wirklich tolle Leute, die teilweise sechs oder sieben Jahre auf einen Studienplatz gewartet haben". Unter ihnen seien Physiotherapeuten, Rettungsassistenten und sehr viele Pflegekräfte.

Dass die Sonderwege zum Studium die Qualität der Ausbildung mindert, glaubt Grimm-Benne nicht. "Ich bin mir sicher, die Studenten wissen, was sie tun, das sind gestandene Leute", sagte die Ministerin. "Die bekommen ja kein Studium-light, sie müssen ja dieselben Prüfungen bestehen, wie alle anderen."

Die Sozialdemokratin will das Programm 2021 nicht nur wiederholen, sondern auch auf Amtsärzte ausweiten. "Ich hoffe, dass wir das mit den Regierungsfraktionen noch hinbekommen", sagte die SPD-Politikerin. "Denn auch in den Gesundheitsämtern fehlen uns Ärzte." Der Nachwuchs für die Amtsmediziner, die derzeit in den Gesundheitsämtern eine tragende Rolle bei der Bewältigung der Corona-Krise spielen, soll dann am selben Auswahlverfahren teilnehmen wie die Landärzte.

Unterstützung bekommt Grimm-Benne vom Wissenschaftsminister und Parteikollegen Armin Willingmann (SPD). Die Federführung für ein solches Projekt liege im Gesundheitsministerium, er habe aber großes Interesse, eine solche Amtsarztquote einzuführen, sagte er der dpa. Es sei möglich, ein entsprechendes Gesetz noch vor der Landtagswahl am 6. Juni zu erlassen. Schon für das Wintersemester könnten dann zehn Plätze für angehende Amtsärzte reserviert werden.

Magdeburgs Amtsarzt Eike Hennig bezeichnete das Vorhaben als "deutlich verspätet, aber gut". Das Durchschnittsalter der Amtsärzte liege in Sachsen-Anhalt bei 61, sagte Hennig, der auch Vorsitzender des Landesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ist. Die Corona-Pandemie habe den Personalmangel noch mal verschärft. "Kein Arzt bei uns macht noch seine originäre Aufgabe", sagte Hennig, der Chef von 16 Ärztinnen und Ärzten im Magdeburger Gesundheitsamt ist. "Corona ist maßgebend."

Das Magdeburger Amt stehe im Vergleich sogar noch recht gut da, andere Gesundheitsämter würden inzwischen notgedrungen schon von Juristen geleitet. Neben den hohen Anforderungen an ein Studium sieht Hennig auch in der relativ geringen Bezahlung ein Problem. Er fordert daher, die Bezahlung der Amtsärzte der von Krankenhaus-Ärzten anzugleichen. Viele Bewerber hätten ihm wegen der zu geringen Bezahlung abgesagt, so der Amtschef.

Die Bezahlung ist auch in anderen medizinischen Berufen mit Nachwuchssorgen wie Physiotherapeuten und Logopäden ein Knackpunkt. In diesen Berufen wolle die Landesregierung die Ausbildung verbessern, sagte Grimm-Benne. "Wir wollen eine Ausbildungsvergütung einführen und versuchen, das Schulgeld abzuschaffen, damit wieder mehr junge Menschen bereit sind, diese Ausbildung zu machen."

Für Pflegeberufe hat Sachsen-Anhalt das Schulgeld bereits abgeschafft - das habe sich positiv auf die Ausbildungszahlen ausgewirkt, sagte Grimm-Benne. "Die Bedingungen waren, auch dank der Beteiligung vieler Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sehr gut, so dass wir elf Prozent mehr Anmeldungen hatten als im Vorjahr", berichtete die Sozialdemokratin. "Das ist ein großer Erfolg."

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