Medizin:Jetzt dämmert's - warum Licht für uns so wichtig ist

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Ein bisschen Sonne, ein bisschen Freude: Ohne Licht kein Leben. (Foto: dpa)
  • Ein Großteil der Pflanzen- und Tierwelt ist auf Licht angewiesen - und der Mensch sowieso.
  • Licht ist zum Beispiel für die Synthese von Vitamin D unerlässlich.
  • Auch auf Stimmung, Lust und Aktivität hat das Tageslicht einen enormen Einfluss.

Von Werner Bartens

Auch das Licht der Welt ist vor allem eine Frage der Wellenlänge. Egal wie es blinkt, glänzt und strahlt, sichtbar ist Licht für das menschliche Auge gerade mal in der geringfügigen Spanne von 380 bis 780 Nanometern, das umfasst das komplette Farbspektrum über Violett, Blau, Grün, Gelb bis Rot, inklusive etlicher mehr oder weniger grausamer Zwischentöne. Dieser Teil des Spektrums reicht allerdings aus, um erstaunlich viel Leben in die Welt zu bringen.

Licht kann schmeicheln, blenden und verletzen. Vor allem aber ist es essenziell für die Fotosynthese und damit die Produktion von Sauerstoff. Ein Großteil der Pflanzen- und Tierwelt ist darauf angewiesen. Aber auch der menschliche Körper reagiert auf Licht, er ist sogar besonders empfindlich dafür, auch wenn er kein Chlorophyll besitzt. Man muss nicht esoterisch verstrahlt sein, um den Menschen als Lichtwesen zu bezeichnen.

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Die Haut als teildurchlässige Hülle färbt sich durch Sonnenlicht nicht nur dunkler. In der Haut ist Licht auch für die Synthese von Vitamin D unerlässlich - ohne eine Viertelstunde Sonnenlicht am Tag oder entsprechende Ergänzungsstoffe wird das für die Knochen wichtige Vitamin nicht ausreichend gebildet.

Auf Stimmung, Lust und Aktivität hat das Tageslicht einen enormen Einfluss

Kindern ohne genügend Licht drohen Entwicklungsstörungen wie Rachitis, die "englische Krankheit". Bei Erwachsenen wird sie als Osteomalazie bezeichnet. Ihren landsmannschaftlichen Namen hat die Rachitis aufgrund des Schicksals vieler mangelernährter und im Dunkeln gehaltener Kinder in den frühindustriellen Städten Britanniens. Aber auch in südlichen, sonnigen Regionen, in denen der Körper aus religiösen oder anderen Gründen umfassend mit Kleidung bedeckt wird, kommt die Krankheit bis heute vor.

Auf Stimmung, Lust und Aktivität hat das Tageslicht einen enormen Einfluss. Dies geht weit darüber hinaus, sich an trüben Tagen saft- und kraftlos zu fühlen und an einem strahlenden Tag voller Tatendrang fast zu platzen. Die saisonale Depression im Herbst geht auch auf die grau melierten Lichtverhältnisse zurück. Aber nicht nur hell oder dunkel, trübe oder klar und damit die Lichtintensität sind entscheidend, auch die Farbe des Lichts begründet erstaunliche Unterschiede.

Von bläulich schimmerndem Licht ist beispielsweise bekannt, dass es im Vergleich zum konventionellen Weißlicht weniger müde macht - nach einer Belastung aber auch besonders beruhigend wirkt. Sind Ruhephasen erst einmal erreicht, halten sie mit bläulichem Licht länger an. Zudem konnten Forscher zeigen, dass Blau die Belastungsreaktion des Körpers vermindert und weniger Stresshormone ausgeschüttet werden.

Ähnliche Effekte haben blasse Farben und Pastelltöne. In Schulen und Universitäten erhöhen sie die Ruhe - bei schwer erziehbaren Schülern tragen sie offenbar zu Mäßigung und weniger Zwischenfällen bei. Ob das tatsächlich ein erwünschter Effekt ist, bleibt jedoch fraglich. Denn in Klassenräumen und Hörsälen kehrt zwar mit gedämpften Tönen Ruhe ein - lebhaftere Farben verbessern jedoch die Leseleistung und andere Lernerfolge von Schülern und Studenten.

Rötlich-gelbes Licht macht schließlich wach und alert. Kein Wunder, dass Rot seit jeher als Farbe der Liebe wie der Gesundheit gilt und das einfärbt, was in der Weihnachtszeit als güldener Schein und anheimelnde Atmosphäre Herzen wärmt.

Während sich der Herzschlag beruhigt, wenn violette, blaue oder grüne Farbtöne vorherrschen, bringt gelblich oder rötlich gefärbtes Licht das Temperament erst richtig in Wallung. Damit Götterfunken freudetrunken machen, muss man sie sich wohl gelb-rot vorstellen. Pink ist zwar für viele Menschen nur schwer zu ertragen, hat aber dazu geführt, dass sich Häftlinge in entsprechend getöntem Licht eher beruhigen ließen.

Als Folterinstrument hat Licht - wie auch lange Dunkelheit - ebenfalls eine unrühmliche Tradition, und damit sind nicht kitschig blinkende Weihnachtsmärkte gemeint. Das "sensorische Bombardement" mit Neonlicht oder absoluter Dunkelheit führt zur Überreizung der Sinne - oder dem totalen Entzug der visuellen Orientierung und des Rhythmus. Bei der Lichtfolter fühlt sich das Opfer nicht nur geblendet, sondern auch ständig beobachtet. Von absoluter Dunkelhaft berichten Betroffene hingegen, dass sie nicht nur den Überblick, sondern auch fast den Verstand verloren hätten. Insofern ist es ganz folgerichtig, dass Weihnachten nicht nur das Fest des Lichts, sondern auch der Besinnung ist.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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