Man kann es drehen und wenden wie man will: Viele wollen es einfach nicht lernen. Natürlich kann auch eine harmlose Impfung vereinzelt Nebenwirkungen auslösen und gesundheitliche Risiken bergen.
Doch die erwiesenen Vorteile des kleinen Nadelstichs sind zumindest bei gesunden Menschen so überwältigend groß, dass es eigentlich keine ernsthafte Debatte darüber geben sollte, ob Eltern ihre gesunden Kinder nun gegen die gängigen Krankheiten impfen lassen sollten oder nicht. Sie sollten, punkt.
Umso mehr ernüchtert es, dass trotz aller Aufklärungs- und Informationskampagnen der vergangenen Jahre noch immer viele Kinder nicht ausreichend geschützt werden. Gerade erlebt das Land einen unnötigen Ausbruch der Masern, weil zu wenige Eltern ihre Kinder impfen lassen.
Die empfohlenen Impf-Quoten, mit denen die Masern ausgerottet werden könnten, werden Jahr um Jahr verfehlt - dazu haben zuletzt auch einige Betonköpfe von Impf-Gegnern ihren Teil beigetragen, die ungeachtet aller Kritik von angesehenen Wissenschaftlern ihr unsinniges bis gefährliches Zeug verbreiten. Darunter ist so ein grotesker Unsinn wie die Behauptung, dass eine bestimmte Impfung angeblich zu Autismus führe.
Überzeugen statt zwingen, lautet die Devise
Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat vor einer Weile schon damit gedroht, notfalls eine Impf-Pflicht einzuführen, wenn sich nichts ändert. Er will nun stattdessen erreichen, dass Kitas den Gesundheitsämtern in Zukunft melden müssen, wenn Eltern die Impfung ihres Kindes verweigern. Damit man gezielt auf diese Familien zugehen kann, heißt es. Was zunächst ein wenig nach Denunziation klingt, ist bei genauer Betrachtung richtig: Ein neues Gesetz, das schon im Sommer in Kraft treten soll, wird den Druck auf skeptische Eltern langsam erhöhen. Überzeugen statt zwingen, lautet die Devise.
Aber wäre eine gesetzliche Impf-Pflicht da nicht die weitaus bessere Lösung? Die FDP hat am Wochenende auf ihrem Parteitag dafür gestimmt. Immerhin hat es in der Vergangenheit mit dezenten Überzeugungsversuchen auch nicht so geklappt, wie man sich das vorgestellt hat. Die Antwort lautet ganz klar: eine Impf-Pflicht ist der falsche Weg. Denn so unverantwortlich es auch ist, Kinder wider besseres Wissen nicht vor vermeidbaren Krankheiten zu schützen und damit auch andere Menschen zu gefährden - das Recht auf Selbstbestimmung wiegt gerade in Gesundheitsfragen besonders schwer.
Offen bleibt in diesem Szenario auch die Frage, wie man eine solche Impf-Pflicht überhaupt durchsetzen will. Sollen renitente Eltern etwa Besuch von der Polizei bekommen, die den schreienden Nachwuchs dann aus der Wohnung schafft und zum Arzt fährt? Soll man diese Eltern, die sich aus Sorge um das Wohl ihres Nachwuchses gegen den Piks sperren, vor Gericht stellen? Man mag sich solche schrecklichen Szenen nicht ausmalen.
Impfungen schützen Kinder und Erwachsene vor vermeidbaren Krankheiten, sie bewahren die Menschen in der Summe vor sehr viel Leid. Natürlich hat es die Wissenschaft im Moment schwer: Desinformationen und Unwahrheiten verbreiten sich rasant; akademische Scharlatane, die der Forschung nichts als Schaden zugefügt haben, finden selbst mit krudesten Impf-Thesen noch ein Publikum. Doch es geht nicht anders: Informieren und überzeugen, notfalls auch mit sanftem Druck nachhelfen - das ist zwar nicht der schnellste Ausweg aus der leidigen Impf-Debatte. Aber es ist der einzige, der moralisch vertretbar ist.