Süddeutsche Zeitung

Zika:Seuche aus der Südsee

Hautausschlag, Kopfschmerzen, geschwollene Gelenke: Eine nahezu unbekannte Krankheit namens Zika breitet sich rasant aus und hat bereits Südamerika erreicht.

Von Martin Enserink

Die Krankheit, die Brian Foy und Kevin Kobylinski vor sieben Jahren außer Gefecht setzte, war mysteriös. Die beiden Insektenkundler von der Colorado State University in Fort Collins bekamen plötzlich Hautausschlag und Kopfschmerzen. Sie waren ständig erschöpft und ihre Gelenke schwollen an und taten weh. Kurz zuvor waren sie von einer Forschungsreise aus Senegal zurückgekehrt. Doch die Symptome der beiden Wissenschaftler passten zu keiner Krankheit, die in dem afrikanischen Land grassierte.

50 Jahre lang trat Zika nur sporadisch auf. 2007 wütete der Erreger auf pazifischen Inseln

Beide erholten sich und wahrscheinlich hätten sie die Ursache für ihre Krankheit nie erfahren, hätte Foy nicht ein Jahr später zufällig Andrew Haddow getroffen, der damals an der University of Texas in Galveston arbeitete. Haddows Großvater hatte 1947 in Afrika gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern einen neuartigen Krankheitserreger entdeckt, der von Stechmücken übertragen wurde: das Zika-Virus. Die Symptome, die dieser Erreger verursacht, glichen denen von Foy und Kobylinski. Die beiden Wissenschaftler ließen sich daraufhin auf Antikörper gegen das Zika-Virus untersuchen. Und tatsächlich, die Tests waren positiv.

Ein halbes Jahrhundert lang war Zika immer wieder sporadisch in Afrika und Asien aufgetreten. Vor acht Jahren tobte der Erreger dann auf pazifischen Inseln. Im vergangenen Mai erreichte Zika Brasilien; wenig später Kolumbien und Surinam. Am 15. Oktober forderte die Panamerikanische Gesundheitsorganisation mehrere Länder auf, sich auf mögliche Zika-Erkrankungen vorzubereiten.

Die Wissenschaft fängt gerade erst an, sich mit der Krankheit zu beschäftigen. Klar ist, dass das Zika-Virus von Mücken der Gattung Aedes übertragen wird. Da es diese Mücken auch in Amerika gibt, ist es so gut wie sicher, dass Zika sich in Süd- und Mittelamerika, in Mexiko und in der Karibik ausbreiten wird. Duane Gubler, Leiter des "Emerging Infectious Diseases Programms" an der National University of Singapore, prognostiziert, dass es auch im Süden der USA und in Südeuropa Fälle von Zika geben wird.

Gubler ist sich seiner Sache so sicher, weil sich zwei andere Viren, die von denselben Insekten, nämlich der Gelbfiebermücke Aedes aegypti und der Asiatischen Tigermücke, Aedes albopictus, auf den Menschen übertragen werden, auf diesem Weg ausgebreitet haben. Die Rede ist vom Erreger des Dengue-Fiebers, der in den vergangenen Jahren in Lateinamerika große Epidemien verursacht hat und vom Chikungunya-Virus. Chikungunya war vor zehn Jahren noch so gut wie unbekannt. Im Jahr 2013 begann der Erreger dann, die westliche Hemisphäre zu erobern. Mittlerweile sind mehr als 600 000 Fälle von Chikungunya in mehr als 30 Ländern registriert.

Die gute Nachricht ist, dass Zika nicht tödlich ist. Bei den meisten Menschen verläuft die Krankheit milder als Chikungunya und Dengue, die beide unerträgliche Schmerzen verursachen können. Dengue kann außerdem ein tödliches hämorrhagisches Fieber zur Folge haben.

Die Tatsache, dass so viele ähnliche Viren gleichzeitig zirkulieren, erschwert die Diagnose und belastet die öffentlichen Gesundheitssysteme. Und die Ankunft von Zika in Amerika wirft die Frage auf, wie viele andere Viren, die von Aedes-Mücken übertragen werden, noch auftauchen werden. Bis jetzt kennen wir drei - aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass es noch mehr werden, sagt Foy. Sowohl der Zika- als auch der Dengue-Erreger gehören zu den Flaviviren, einer Gattung, zu der auch der Erreger des Gelbfiebers und das West-Nil-Virus gehören.

Nachdem das Zika-Virus 1947 in einem Rhesusaffen im Zika Forest in der Nähe der ugandischen Stadt Entebbe entdeckt worden war, wurden in den darauf folgenden 50 Jahren weniger als 15 Erkrankungen beim Menschen gemeldet - alle in Afrika oder Südostasien. 2007 hat sich irgendetwas verändert. In diesem Jahr gab es einen großen Zika-Ausbruch auf den Yap-Inseln im Westpazifik, die zu Mikronesien gehören. Eine Studie aus dem Jahr 2009 ergab, dass erstaunliche 73 Prozent der Inselbewohner Antikörper gegen Zika im Blut hatten. Das bedeutet, dass sie sich mit dem Virus infiziert hatten. Aber niemand starb an der Infektion. Keiner musste ins Krankenhaus.

Danach sprang das Zika-Virus von Insel zu Insel. In den Jahren 2013 und 2014 infizierte es fast 30 000 Menschen in Französisch-Polynesien, das ist ein Zehntel der gesamten Bevölkerung. Dieses Mal wurden mehrere Zika-Patienten ins Krankenhaus eingeliefert. Einige entwickelten als Folge der Virus-Infektion das Guillain-Barré-Syndrom - eine Muskelschwäche, deren Ursache eine Schädigung des peripheren Nervensystems ist. "Die Annahme, Zika verlaufe immer harmlos, war damit hinfällig", sagt Didier Musso vom Institut Louis Malardé auf Tahiti, der sich intensiv mit diesem Zika-Ausbruch beschäftigt hat. Wahrscheinlich waren es infizierte Touristen, die das Virus von Französisch-Polynesien nach Neukaledonien, die Cookinseln, Vanuatu und die Osterinseln schleppten. Vermutlich sind die infizierten Menschen dort von heimischen Mücken gestochen worden, die das Virus dabei in sich aufnahmen und weitertrugen.

Die Infektion durch Mückenstiche ist der wahrscheinlichste Übertragungsweg. Möglicherweise gibt es aber auch noch andere: Nachdem Foy im Jahr 2008 nach Hause zurückgekehrt war, erkrankte nämlich auch seine Frau an Zika - und das, obwohl es in Nord-Colorado keine Mücken gibt, die das Virus übertragen können. Foy hatte zu dieser Zeit Blut im Sperma. Eine mögliche Erklärung ist deshalb, dass er seine Frau während des Geschlechtsverkehrs angesteckt hat.

Tatsächlich konnte Musso das Virus auch im blutigen Sperma eines Zika-Patienten in Französisch-Polynesien nachweisen. Allerdings seien auch viele Kinder und alte Leute an Zika erkrankt. Das spreche dafür, dass die sexuelle Übertragung eher die Ausnahme ist und keine größere Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielt, sagt Musso. Sein Team dokumentierte auch einen Fall, in dem das Zika-Virus während einer Geburt von der Mutter auf das Baby übertragen wurde. Außerdem wiesen die Wissenschaftler den Erreger bei drei Prozent aller Blutspender nach - und das obwohl diese gar keine Symptome hatten. Das ist ein überraschend hoher Prozentsatz. Das Risiko, sich durch eine Bluttransfusion mit Zika anzustecken, ist damit gar nicht so gering.

Tatsache ist, dass die Wissenschaft noch sehr wenig über Zika weiß. Eine Suche in der Medizin-Datenbank PubMed ergibt nur etwa 200 Treffer. Beim Stichwort "Chikungunya" sind es mehr als 2500, bei "Dengue" mehr als 14 500. Bisher gibt es keine Medikamente oder Impfstoffe. Und außer Affen gibt es auch keine Tiere, an denen die Krankheit genauer erforscht werden könnte.

Nach seinen eigenen Erfahrungen mit dem Virus beantragte Foy bei den National Institutes of Health finanzielle Unterstützung, um die Krankheit weiter erforschen zu können. Sein Antrag wurde abgelehnt. Jetzt scheint sich Zika explosionsartig auszubreiten. Foy erwartet deshalb, dass endlich verstärkt an der Krankheit geforscht wird. Zumindest war es so beim Chikungunya-Virus, über das man ebenfalls wenig wusste, bis es im Jahr 2005 eine große Epidemie verursachte.

Im Moment gebe es wenig Hoffnung, Zika zu stoppen, sagt Gubler. Die Mücken einzudämmen, die das Virus übertragen, ist so gut wie unmöglich. Aedes-Mücken brüten in jeder kleinen Wasserlache, in Blumenuntertöpfen und alten Autoreifen. Dass Insektizide kaum helfen, hat sich beim Versuch gezeigt, andere Krankheiten zu bekämpfen, die von den Mücken übertragen werden.

Um Zika zu stoppen, muss man die Mücken bekämpfen. Das ist allerdings fast unmöglich

Aber es besteht die Hoffnung, dass die Mücken künftig mithilfe neuartiger Technologien erfolgreicher bekämpft werden können. Das britische Start-up-Unternehmen Oxitec beispielsweise, das kürzlich von der US-Firma Intrexon gekauft wurde, hat Mückenmännchen genetisch so verändert, dass sie steril sind. Das kann dazu beitragen, die Mücken zu dezimieren. Andere Forscher haben Mücken mit dem Bakterium Wolbachia infiziert, was zur Folge hat, dass die Insekten kaum noch Viren beherbergen können. Ein vielversprechender Ansatz ist auch, Mücken genetisch so zu verändern, dass sie keine Krankheitserreger mehr übertragen. Sobald eine oder mehrere dieser Methoden funktionieren, könnten wir Fortschritte machen, sagt Gubler.

Dieser Text ist im Original in Science erschienen, dem internationalen Wissenschaftsmagazin, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.sciencemag.org, Dt. Bearbeitung: tiba

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Quelle:
SZ vom 30.11.2015
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