Medizin:Die depressiven jungen Ärzte

Medizinstudium

Der Stress und der Konkurrenzkampf in Studium und Ausbildung sind hoch: Medizinstudenten in einer Vorlesung (Symbolbild)

(Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa)

Erschreckend viele Medizinstudenten leiden an Depressionen. Experten sehen drei Probleme, die gar nicht so schwer zu beheben wären.

Von Werner Bartens

Wie soll man da nur gesund werden? Gute Stimmung und positive Gefühle haben schließlich einen günstigen Einfluss auf die Genesung der Patienten. Wird ihnen Hoffnung auf Linderung oder Heilung gemacht, geht es Kranken in Klinik wie Praxis gleich besser. Vermittelt ein Arzt glaubhaft Zuversicht, ist das von unschätzbarem Wert und kann so manche laue Therapie ausgleichen. Der ungarische Psychoanalytiker Michael Balint prägte daher schon früh den Begriff der "Droge Arzt".

Das Fachpersonal ist jedoch offenbar nicht immer in der Lage, segensreiche Wirkungen bei Patienten auszulösen. Wie eine große Studie im Fachmagazin JAMA zeigt, sind mehr als 27 Prozent aller Medizinstudenten depressiv oder leiden gelegentlich an depressiven Symptomen. Im Verlauf des Studiums bleibt dieser Anteil relativ konstant. Er liegt damit deutlich über dem der übrigen Bevölkerung. Elf Prozent der angehenden Doktoren äußern sogar Suizidgedanken. Harvard-Mediziner um Lisa Rotenstein haben Daten aus 47 Ländern ausgewertet und in ihre Analyse insgesamt fast 130 000 Studierende einbezogen.

"Der hohe Anteil an Depressionen beeinträchtigt vermutlich die Qualität der Versorgung"

Mit zunehmender Qualifikation wird die mentale Gesundheit der Mediziner nicht besser, im Gegenteil. Erhebungen zufolge sind auch fast 29 Prozent der Assistenzärzte depressiv. Als Gründe für die psychische Anfälligkeit führen die Wissenschaftler vor allem Stress, Angst und den Konkurrenzkampf in Studium und Ausbildung an. "Der hohe Anteil an Depressionen wirkt sich nicht nur negativ auf die Gesundheit der Mediziner aus, er beeinträchtigt vermutlich auch die Qualität der Versorgung", so die Harvard-Forscher. Auch in Deutschland hatten Untersuchungen immer wieder gezeigt, dass es mit der psychischen Gesundheit der angehenden Ärzte nicht zum Besten steht.

In einem begleitenden Kommentar trifft der Medizindidaktiker Stuart Slavin von der Universität St. Louis den Punkt: Die schlechte psychische Gesundheit von Medizinstudenten und Ärzten sei seit den 1930er-Jahren bis heute immer wieder beklagt worden. "Was hat es mit der Kultur der Medizin und der medizinischen Ausbildung auf sich, wenn diese Probleme so lange nicht angegangen und gelöst werden?", fragt Slavin. "Welche Hürden stehen Veränderungen im Wege?"

Sind die Patienten und ihre Nöte zu stark, bist du zu schwach

Slavin identifiziert als einen der Gründe den verbreiteten Irrglauben, dass der Beruf des Arztes nun mal sehr fordernd sei und deswegen die Ausbildung ebenfalls besonders hart und fordernd sein müsse. Wer das nicht aushalte, so die verbreitete Meinung unter Medizinern, sei für den Beruf nicht geeignet. Frei nach dem Motto: Sind die Patienten und ihre Nöte zu stark, bist du zu schwach.

Zudem überwiegt in der konventionellen Medizin immer noch die Meinung, dass Psychologie und Psychiatrie "weiche" Fächer seien und seelische Leiden nicht so ernst zu nehmen seien wie körperliche. Diese Gewichtung zeigt sich im Umgang mit Patienten, denen oftmals zu spät psychische Hilfe angeboten wird, wie auch in Bezug auf die eigene Profession.

Psychische Krankheiten wie eine Depression haben aus Sicht etlicher Ärzte nicht den gleichen Wert wie etwa Herzinfarkt, Schlaganfall, Alzheimer oder Diabetes. Als dritter Aspekt kommen Slavin zufolge die starren Strukturen und Hierarchien der Medizinfakultäten hinzu, denen oft die Bereitschaft fehle, auf die Bedürfnisse von Studenten einzugehen, wenn diese in Not geraten.

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