Medizin:Ärzte warnen Krebspatienten vor Keto-Diäten

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Eine Doktorandin betrachtet Hautkrebs-Zellen am Monitor. (Foto: dpa)
  • Viele Krebspatienten wollen etwas gegen die Krankheit tun - und befolgen eine der vielen so genannten "Krebs-Diäten".
  • Die Idee dahinter klingt zunächst einleuchtend. Ein Großteil der Tumorzellen bevorzugt Kohlenhydrate.
  • Doch Experten warnen: Der Tumor könnte sogar schneller wachsen.

Von Kathrin Burger

Nach der Diagnose Krebs sitzt der Schock tief. Und auch die folgenden Therapien wie Operationen, Chemo oder Bestrahlung belasten die Patienten enorm. Um sich dem Tumor nicht ausgeliefert zu fühlen, wollen viele Betroffenen zusätzlich etwas gegen die Krankheit tun - und befolgen eine der vielen so genannten "Krebs-Diäten". Auch bei der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) hat man beobachtet, dass diese immer mehr angenommen werden. Besonders beliebt ist derzeit die Ketogene Diät, eine spezielle Form der Low-Carb-Ernährung.

"Rund jeder zweite bis dritte Patient kommt in meine Beratung mit Fragen zu kohlenhydratarmen Diäten oder befolgt sie bereits", sagt Nicole Erickson, Ernährungswissenschaftlerin und Diätassistentin am Comprehensive Cancer Center der LMU München. Meist hätten sie die Anregungen dazu aus dem Internet oder aus Ratgebern. "Aber es gibt auch Ärzte, die das ihren Patienten empfehlen", sagt Jutta Hübner von der DKG. Doch es mehren sich die Indizien, die dagegen sprechen, bei einer Krebserkrankung auf diese Ernährungsweise zu vertrauen.

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Die in der Keto-Diät verpönten Kohlenhydrate stecken in Zucker, aber auch in Stärkehaltigem wie Kartoffeln, Brot und Nudeln. Die Ernährungsweise sieht diese lediglich in geringsten Mengen vor - höchstens 20 Gramm pro Tag. Dafür sollen die Patienten fettreich essen. Je nach Diät müssen 60 bis 90 Prozent der Energiezufuhr aus Fetthaltigem wie Sahne, Butter, Öl oder Nüssen bestehen; der Rest aus Eiweiß wie Fleisch, Fisch, Eier oder Milchprodukte sowie stärkearmem Gemüse.

Die Idee dahinter klingt zunächst einleuchtend. Ein Großteil der Tumorzellen bevorzugt Kohlenhydrate - genauer: Glukose als Energielieferant, andere Treibstoffe wie Fett und Eiweiß können sie nicht oder nur mühsam anzapfen. Das können hingegen die Körperzellen. Die Leber baut bei Kohlenhydratmangel problemlos Fett und Eiweiße zu Keton-Körpern um, die überall im Körper zur Energieversorgung dienen. Das gab Anstoß zu der Vorstellung, man könne Krebszellen durch den Verzicht auf Zucker und andere Kohlenhydrate aushungern. Doch Laboruntersuchungen zeigen: "Bei Glukose-Mangel wachsen Tumorzellen zwar kurzzeitig langsamer, dann jedoch schneller", sagt Hübner.

"Die Ernährung während der Krebstherapie soll das Gewicht stabil halten und schmecken."

Auch aus klinischen Studien fehlen Beweise, die eine Heilwirkung beim Menschen belegen. "Es gibt zwar einige kleine Studien, aber diese sind nur mit wenigen Probanden durchgeführt worden", so Erickson. In einer Stellungnahme der DKG kommen die Mediziner zu dem Fazit, dass eine Ketogene Diät keine direkte Wirkung auf Tumorwachstum und Metastasierung habe und weder die Wirksamkeit der Therapien verbessere, noch die Verträglichkeit der Chemotherapie steigere. "All dies wird aber von Verfechtern der Diät versprochen", sagt die Onkologin Hübner. Die Experten raten daher einhellig in einer aktuellen Stellungnahme von einem solchen Kostregime ab.

Im Gegenteil kann eine Ketogene Diät bei Krebs nämlich auch gefährlich sein. "Die Patienten nehmen meist mit der Diät ab", sagt Erickson. Eine Gewichtsabnahme ist bei Krebspatienten unerwünscht. Denn bis zu 80 Prozent der Betroffenen sind sowieso schon mangelernährt, eine Folge der Therapien, die vielfach zu Übelkeit und Appetitmangel führen. Aber auch der Krebs selber zehrt die Menschen aus. Tumorzellen sondern Zytokine ab, die zu einem Abbau an Muskelmasse führen. Der schlechte Allgemeinzustand vereitelt auch Bewegung - ein Teufelskreis.

Eine Mangelernährung ist jedoch nicht nur mit einer miserablen Lebensqualität sondern auch mit einer schlechteren Prognose verknüpft. Zahlreiche Studien zeigten, dass ein unterdurchschnittlicher Ernährungszustand Klinikaufenthalte verlängert, Chemotherapie und Bestrahlung schlechter verträglich macht sowie die Lebenszeit verkürzt.

Obendrein leiden die Patienten unter der eingeschränkten Nahrungsauswahl der Keto-Diät, sie verursacht zusätzlichen Stress und schränkt das Sozialleben ein - auch dies weiß man aus verschiedenen Studien. "Und genau das darf nicht passieren", sagt Erickson. "Die Ernährung während der Krebstherapie soll das Gewicht stabil halten und schmecken." Wenn ein untergewichtiger Patient Lust auf Kuchen, Süßigkeiten oder auch Fertigprodukte und Fast-Food habe, solle er dies auch mal ohne Reue genießen.

In jedem Fall ist eine Ernährungsberatung zu empfehlen, wie eine Studie von Paula Ravasco, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität in Lissabon, aus dem Jahr 2012 gezeigt hat. Denn auch diese führt bewiesenermaßen zu einem stabilen Gewicht. Doch: "In Deutschland fehlt es leider an flächendeckenden Angeboten wissenschaftlich fundierter Beratung", beklagt Hübner.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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