Medikamente:Viele verschiedene Schmerzmittel und doch immer das gleiche

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Der Klassiker: Schmerzmittel in Form von Tabletten in einem Gläschen (Foto: blümchen36 / photocase.de)

Wer in der Apotheke nach einem Schmerzmittel fragt, bekommt je nach Beschwerden unterschiedliche Pillen angeboten. Braucht es wirklich für jedes Wehwehchen ein eigenes Medikament?

Von Felix Hütten

Mal zwickt es im Rücken, mal hämmert es im Kopf. Millionen Menschen in Deutschland haben Schmerzen. Deshalb schlucken sie regelmäßig freiverkäufliche Schmerzmittel. 33 Millionen Menschen haben im Jahr 2015 mindestens einmal im Untersuchungszeitraum von drei Monaten zur Packung gegriffen. Die Frage ist nur: Welche Tabletten sind die richtigen? Apotheken verkaufen eine unüberschaubare Menge an Produkten. Egal in welcher Ecke des Körpers es zwickt, es gibt das richtige Pülverchen, ganz gewiss: Plus C, Forte, Effekt, Direkt, Complex. Es ist komplex.

Doch streng genommen enthalten die meisten Medikamente, die es rezeptfrei in Apotheken gibt, immer die gleichen Wirkstoffe: Ibuprofen, Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS).

Schmerzmittel bleibt Schmerzmittel

Wer Schmerzmittel kauft, sollte sich genau erkundigen, welcher Wirkstoff enthalten ist. Es kann vorkommen, dass in Packungen gegen Regelschmerzen Ibuprofen enthalten ist - genau wie in Tabletten gegen Gelenkschmerzen, Migräne und Fieber. Der Pharmahersteller Johnson & Johnson bietet beispielsweise Dolormin Extra gegen Schmerzen und Fieber und Dolormin Migräne gegen - natürlich - Migräne an. Doch beide Produkte enthalten den identischen Wirkstoff: Ibuprofen, Dosis 400 Milligramm. Warum diese Produkte aber unterschiedlich gekennzeichnet sind, und ob Kunden damit möglicherweise in die Irre geführt werden, wollte der Konzern auf SZ-Anfrage nicht beantworten. Klar ist: Sind Wirkstoff und Dosis identisch, gleichen sich die angeblich auf verschiedene Krankheitsbilder spezialisierte Produkte.

Lysin

Einige Ibuprofen-Mittel unterscheiden sich allerdings trotz identischer Wirkstoffe in ihren Zusatzstoffen. Beispiel Lysin: Viele Ibuprofen-Präparate enthalten es als Wirkungsbeschleuniger. Es hilft dem Körper, das Schmerzmittel im Magen schneller aufzunehmen, sodass es seine Wirkung sofort entfalten kann. Der Vorteil: Patienten spüren in der Regel schnell Erleichterung und kommen seltener in Versuchung, nach der ersten Tablette gleich eine zweite hinterherzuschmeißen. Der Nachteil: Schmerzmittel mit Lysin sind meist teuer. Mittlerweile ist aber auch in weniger namhaften Produkten Lysin enthalten - wer sparen will, muss nicht zwingend zur Markenware greifen.

Pulver, Granulat, Zäpfchen und Tropfen

Immer mehr Schmerzmittel sind neben der klassischen Tabletten-Variante auch als Granulat, Pulver oder Tropfen erhältlich. In manchen Fällen kann das sinnvoll sein. Beispielsweise sind die Blutgefäße des Enddarms nicht vollständig an den Blutkreislauf der Leber angeschlossen. Wirkstoffe in Zäpfchen umgehen somit teilweise die Leber. Das kann von Vorteil sein, wenn man verhindern will, dass die Leber Wirkstoffe verstoffwechselt und damit abschwächt.

Brausetabletten und Pulver, die in Wasser aufgelöst getrunken werden, muss der Magen nicht zersetzen. Der Wirkstoff kann von der Magenschleimhaut sofort resorbiert werden direkt ins Blut gelangen.

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Erkältungsmittel

Allerdings sind Pulver und Granulate meist teurer als klassische Tabletten - und nicht immer notwendig. Das gilt zum Beispiel für Erkältungsmittel wie das Grippostad-Heißgetränk, ein Pulver, das in heißem Wasser aufgelöst wird. Es soll besonders gut gegen Schnupfen und Gliederschmerzen wirken. Ein Blick auf die Packung verrät: Der Wirkstoff ist Paracetamol. Kosten: Etwa vier Mal teurer als eine herkömmliche Paracetamol-Packung in der Apotheke.

Der Hersteller Stada rechtfertigt den höheren Preis damit, dass die Wirkung des aufgelösten Pulvers im Vergleich zu einer geschluckten Tablette schneller eintrete. Das sei zwar richtig, sagt Gerd Geisslinger, Professor für Klinische Pharmakologie an der Universität Frankfurt, doch müsse man sich die Frage stellen, ob diese Beschleunigung bei Erkältungs- oder Gliederschmerzen wirklich notwendig ist. Ein zweites Argument des Herstellers: Normale Tabletten könnten nicht mit Tee eingenommen werden. Gerd Geisslinger widerspricht: "Der Tee müsste den Wirkstoff einer Tablette zersetzen oder unwirksam machen, aber dafür gibt es bislang keine Hinweise." Dennoch gilt: Medikamente sollten grundsätzlich mit Wasser geschluckt werden, um Wechselwirkungen mit Inhaltsstoffen aus Getränken zu vermeiden. Wer auf ein teures Erkältungspulver verzichten will, kann dennoch Tee trinken - und günstiges Paracetamol mit einem Glas Wasser schlucken.

Koffein und Vitamin C

Viele Hersteller werben gerne mit Zusätzen wie Koffein und Vitamin C in Schmerzmitteln. Doch Koffein ist unter Pharmakologen umstritten. Zwar gibt es Hinweise, dass es die Wirkung von Schmerzmitteln verbessern kann, doch ist nicht ganz klar, wie groß dieser Effekt - der auch von der Art der Schmerzen abhängen kann - wirklich ist. Zudem wirkt Koffein aufputschend. Es besteht die Gefahr, dass Patienten glauben, wieder fit zu sein und nach einer Erkrankung zu früh in Job und Alltag starten - obwohl die Krankheit noch nicht vollständig auskuriert ist. Koffeinhaltige Schmerzmittel stünden zudem im Verdacht, bei übermäßigem Gebrauch eher Dauerkopfschmerz zu verursachen als solche ohne Koffein, sagt Burkhard Hinz, Pharmakologe der Universität Rostock. Bei gelegentlicher Einnahme sorge Koffein zwar für eine gewisse Schmerzlinderung bei Migräneanfällen, da es die Blutgefäße im Gehirn zusammenzieht. Eine Tasse Kaffee verspreche jedoch die gleiche Wirkung, sagt Hinz.

Bei Vitamin C ist das Urteil eindeutiger. In Industrienationen leidet bei normaler, ausgewogener Ernährung eigentlich niemand an Vitamin C-Mangel. Falls doch, könne dieser mit Zitronen oder Paprikas behoben werden, sagt Pharmakologe Geisslinger. Teure Vitamin C-Produkte seien hingegen ein Marketing-Gag der Pharmaindustrie und damit unnötig.

Kombipräparate

Wer in der Apotheke "irgendwas gegen Schmerzen" verlangt, hat nicht selten ein Kombinationsprodukt in der Einkaufstüte, zum Beispiel Thomapyrin. Aber Vorsicht: Solche Medikamente enthalten mehrere Wirkstoffe, in diesem Fall ASS und Paracetamol. Besonders Paracetamol kann bei regelmäßigem Einsatz der Leber schaden. Deshalb raten Mediziner, Präparate mit nur einem Schmerzmittel zu kaufen, um mögliche Nebenwirkungen und Höchstdosierungen besser einschätzen zu können. Auch Allergiker können bei versteckten Wirkstoffen Probleme bekommen.

Fazit

Bei Schmerzmitteln kommt es vor allem auf Wirkstoff und Dosis an. Auch günstige Generika können helfen: Der Wirkstoff ist identisch, nur glänzt die Packung weniger schick. Wer spezielle Medikamente gegen Migräne oder Regelschmerzen kauft, sollte sich informieren, was genau sie überhaupt von klassischen Tabletten unterscheidet. Wirkungsverstärker wie Lysin können sinnvoll sein, Koffein ist umstritten, Vitamin C unnötig. Bei Kombinationsprodukten ist Vorsicht geboten. Es können versteckte Wirkstoffe enthalten sein, die man nicht braucht - oder nicht verträgt.

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