Medikamente:Pharmastudien: Qualität bei Schnellzulassungen oft mäßig

Pharmaproduktion

Nicht jedes zugelassene Medikament nutzt auch den Patienten.

(Foto: dpa)

Wenn sie gegen tödliche Leiden wie Krebs helfen können, werden manche Arzneimittel schneller zugelassen. Jetzt zeigt sich, wie dünn die Datenbasis für innovativen Therapien oft ist.

Von Werner Bartens

Es gilt die alte Regel: Ist in der Medizin von einem "Durchbruch" die Rede, steckt vermutlich ein Leck in der Magen- oder Darmwand dahinter - und nicht ein sensationeller Therapieerfolg. Insofern überrascht die Analyse kaum, wonach die seit 2012 vorschnell zugelassenen "Breakthrough"-Behandlungen mit neuen Medikamenten Patienten wohl kaum Vorteile bringen.

Im Fachmagazin Jama zeigen Mediziner von der Yale-University und der Yale School of Medicine, dass die Beweislage für einen Nutzen der Medikamente ziemlich dünn ist. Seit 2012 ist es der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA möglich, neue Arzneimittel in einem beschleunigten Verfahren auf den Markt zu bringen, wenn erste Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass lebensbedrohliche Krankheiten damit besser behandelt werden können. Sobald eine Behandlung mit dem Etikett "Breakthrough Therapy" versehen wird, fällt das Zulassungsverfahren nicht so gründlich aus, gerät auf die Überholspur und das Mittel schneller zum Patienten.

Die genauere Analyse der von 2012 bis 2017 beschleunigt zugelassenen "Durchbruchs-Therapien" zeigt nun die bescheidene Datenbasis der neuen Behandlungsformen. Die Mehrzahl der 46 innovativen Therapien richtete sich gegen Krebs; andere sollten Infektionskrankheiten und Stoffwechselleiden bekämpfen helfen. Zumeist reichte nur eine Studie zur Zulassung aus, "und in diesen fehlten üblicherweise Kontrollgruppen und Doppelblind-Design", bemängeln die Autoren um Joseph Ross. Weil zudem oft nur wenige Probanden an den Studien teilnahmen und Ersatzparameter statt patientenrelevanter Kriterien als ein Maß für den Behandlungserfolg herangezogen wurden, ist die Qualität der Studien allenfalls mäßig - und der Nutzen für die Kranken fragwürdig.

Seit Jahren wird der Zulassungsbehörde FDA und ihrem Pendant in Europa vorgeworfen, industriehörig zu sein. Neue Krebstherapien mit Kosten von oftmals 100 000 Euro pro Patient sind äußerst lukrativ für die Pharmabranche. Andererseits wird mit bisher "unbefriedigten medizinischen Bedürfnissen" (unmet medical needs) der Patienten argumentiert, wenn ein Breakthrough-Medikament ein Jahr früher als üblich auf den Markt kommt. "Beschleunigte Zulassungen nehmen zu", bemerkt der Gesundheitswissenschaftler Austin Frakt in einem Kommentar. "Damit wachsen auch die Bedenken, dass wichtige Fragen der Sicherheit und der Wirksamkeit auf der Strecke bleiben - und das Risiko für Patienten steigt."

Naheliegend wäre das, denn die beschleunigt zugelassenen Medikamente kommen oft mit einer allzu dürftigen Datenbasis auf den Markt. Zwei Drittel der entsprechenden Studien haben nicht mal ein halbes Jahr gedauert - und sollen über die Langzeitprognose Kranker entscheiden. Eile und Profit gehen hier womöglich über Sicherheit.

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