Medikamente:Wie Drogen Krebspatienten helfen

Lesezeit: 2 Min.

Unter anderem Ecstasy wurden bei einer großen Kontrolle in einer Disco in Günzburg gefunden.(Symbolbild) (Foto: Boris Roessler/dpa)

Eine Studie zeigt: Mit halluzinogenen Pilzen überwinden Menschen Ängste und Depressionen. Werden Patienten in Zukunft immer öfter high?

Von Kai Kupferschmidt

Dinah Bazer bekam die Diagnose im Frühjahr 2010: Eierstockkrebs. Sie wurde operiert, dann folgte eine Chemotherapie. Danach war der Tumor verschwunden. Aber die Angst blieb. Die Sorge, der Krebs könnte zurückkehren, habe sie verschlungen, sagt Bazer. "Das hat mein Leben beherrscht."

Im Rahmen einer Studie an der New York University erhielt Bazer Psilocybin, einen Wirkstoff aus halluzinogenen Pilzen. Das habe sie gerettet, sagt sie heute. Die Ergebnisse der New Yorker Studie und einer weiteren an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore wurden am Donnerstag im Journal of Psychopharmacology veröffentlicht: Sie zeigen, dass ein einziger Drogen-Trip vielen Krebspatienten half, ihre Ängste und Depressionen zu überwinden. "Das sind die strengsten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Studien mit einer psychedelischen Droge, die in den vergangenen 50 Jahren gemacht wurden", sagt David Nutt, Pharmakologe am Imperial College London.

Wird die Partydroge in den USA als Medikament zugelassen?

Bereits am Dienstag hatte die US-Arzneimittelzulassungsbehörde eine Studie genehmigt, in der Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung Ecstasy als Medikament bekommen. Danach wird die Partydroge in den USA möglicherweise als Medikament zugelassen. Auch Psilocybin könnte bald in einer Zulassungsstudie getestet werden. Damit ist die psychedelische Droge wieder da, wo sie einst ihren Anfang nahm: in der Medizin.

Suchtwirkungen
:Wie die Droge den Menschen verändert

Mal grell bunt, mal karg und düster: Der US-Künstler Bryan Saunders zeichnete Selbstporträts - nachdem er Drogen eingenommen hatte. Die Wirkung in Bildern.

Von Kathrin Zinkant

Der Chemiker Albert Hofmann, der beim Schweizer Pharmakonzern Sandoz arbeitete, isolierte Psilocybin 1959. Viele Forscher testeten die Substanz in den folgenden Jahren: um Alkoholismus zu heilen, Depressionen zu lindern oder todkranken Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen. Die Ergebnisse schienen vielversprechend zu sein, doch die Methoden waren meist mangelhaft und der Missbrauch der Droge nahm zu. 1970 wurde die Substanz verboten, die Forschung wurde eingestellt. In den vergangenen 20 Jahren haben Mediziner den Einsatz von Psilocybin als Medikament erneut untersucht - unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.

"Dann war sie weg, und sie ist nicht zurückgekommen"

Während der beiden aktuellen Studien bekamen Patienten die Droge im Rahmen einer Psychotherapie. Menschen mit erhöhtem Risiko für eine schwere psychische Erkrankung, etwa eine Psychose, waren ausgeschlossen. In der New Yorker Studie erhielten 29 Patienten entweder Psilocybin oder Niacin, eine Substanz, die nicht halluzinogen wirkt, aber einige Effekte der Droge nachahmt. Sieben Wochen später erhielten die Teilnehmer die jeweils andere Substanz. An der Johns-Hopkins-Universität bekamen 51 Krebspatienten entweder eine hohe Dosis Psilocybin oder eine Dosis, die so niedrig war, dass sie keinen Effekt hatte. Nach fünf Wochen wurde gewechselt. In beiden Studien hatten alle Patienten deutlich weniger Depressionen, nachdem sie Psilocybin erhalten hatten. Ernste Nebenwirkungen gab es nicht.

Zwei Dinge seien besonders bemerkenswert an den Studien, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité: Der Effekt habe nach kurzer Zeit eingesetzt und habe Monate angehalten. "Aber das sind natürlich kleine Studien", warnt sie. Zudem sei es fast unmöglich, vor den Teilnehmern zu verbergen, ob sie die Droge oder ein Placebo bekommen. Erwartungseffekte könnten das Ergebnis deshalb verfälschen. Wie Psilocybin den Patienten hilft, ist unklar. In beiden Studien fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Stärke der "mystischen Erfahrung" und dem heilenden Effekt. Auch Bazer verbindet ihre Heilung mit dem Erlebnis des Trips: Sie habe ihre Angst als eine Masse in ihrem Körper gesehen und sie angeschrien, sie solle endlich verschwinden. "Dann war sie weg, und sie ist nicht zurückgekommen."

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Folgen der Sucht
:Die gefährlichste aller Drogen

Wie lässt sich die Gefährlichkeit einer Droge bemessen? Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, das nicht nur gesundheitliche Folgen berücksichtigt - und zu einem beunruhigenden Ergebnis führt.

Von Kathrin Zinkant

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: