Über den Gebrauch von Masken ist seit Beginn der Pandemie immer wieder erbittert gestritten worden. Manche vermuteten gar Gefahren für Lunge und Leben, wenn sie die Maske mehrere Stunden lang trugen. Ein neuer Fachartikel scheint jetzt jenen recht zu geben, die schon immer meinten, dass Masken nicht zum Infektionsschutz taugen. Dabei ist diese Lesart des Aufsatzes keineswegs gerechtfertigt, denn die Datenlage ist schlicht zu schlecht, um zuverlässige Schlüsse daraus zu ziehen.
Bei dem Fachbeitrag handelt es sich um einen Cochrane Review. Darunter werden besonders hochwertige und umfangreiche Überblicksartikel verstanden - der aktuelle ist 326 Seiten lang -, in denen der Stand der Wissenschaft methodisch sauber erfasst wird - auch wenn die Studienlage mittelmäßig oder schlecht ist. Renommierte Forscher und Methodikexperten aus Oxford, Australien, Italien, Belgien und Kanada haben den Nutzen "physikalischer Maßnahmen" gegen Viren untersucht, die Atemwegserkrankungen auslösen, darunter medizinische Gesichtsmasken, FFP2-Masken und Handhygiene. Die Studie ist ein erweitertes Update einer Arbeit aus dem Jahre 2020, sodass etliche Analysen zu den jährlichen Grippewellen, zu H1N1 (dem Erreger der Schweinegrippe im Jahr 2009), dem "frühen" Sars-Virus aus dem Jahr 2003 - und nur wenige Daten zur Corona-Pandemie einflossen. Von den 78 Studien, die den methodischen Qualitätskriterien genügten und deshalb im Cochrane Review berücksichtigt wurden, beziehen sich sechs auf den Schutz vor Covid-19; hinzu kommen vier weitere, die jedoch noch nicht abgeschlossen sind.
Die Forscher betonen an etlichen Stellen, dass ihre Aussagen mit Vorsicht zu genießen sind
Medizinische Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit zu tragen, macht demnach "keinen oder nur einen kleinen Unterschied", wenn es um den Schutz vor Atemwegsinfektionen geht, so die Wissenschaftler. Den Nutzen von FFP2-Masken bewerten die Autoren auf alle respiratorischen Erkrankungen bezogen als "insgesamt sehr unsicher"; allerdings zeichne sich ein gewisser Schutz vor der Grippe ab. Der Unterschied zwischen chirurgischen Gesichtsmasken und den mehr Partikel abhaltenden FFP2-Masken sei aber insgesamt gering.
Was die Handhygiene angeht, so kommt die Auswertung der Cochrane Collaboration zu dem Schluss, dass zwar die Anzahl der Infektionen dadurch verringert werden kann und sorgfältiges Händewaschen einen "möglichen Nutzen" bietet. Absolut gesehen mache dieser Vorteil aber nur einen "kleinen Unterschied" aus; durch Handhygiene sinke das Risiko einer Atemwegsinfektion demnach von 380 pro 1000 auf 327 pro 1000 Ansteckungen.
Allerdings betonen die Forscher in ihrer Übersicht an etlichen Stellen, dass ihre Aussagen mit Vorsicht zu genießen sind und die Wahrscheinlichkeit einer Verzerrung bereits in den der Meta-Analyse zugrundeliegenden Studien sehr hoch gewesen sei. Da etliche Studien aus der Zeit der Schweinegrippe 2009 sowie den folgenden normalen Grippejahren bis 2016 stammen, hätten "im Vergleich zur Covid-19-Pandemie weniger Atemwegsviren zirkuliert", was den geringen Nutzen der Masken erklären könnte. Zudem waren die Umstände extrem unterschiedlich - die Studien haben teils in städtischen Schulen oder Krankenhausstationen, aber auch in überfüllten Metropolen in Ländern mit niedrigen Einkommen oder in Wohngegenden wohlhabender Länder stattgefunden, sodass Vergleiche schwierig seien. Das wichtigste Argument gegen die Aussagekraft ihrer großen Analyse bringen die Forscher allerdings, indem sie feststellen, dass sich die Menschen "in vielen Studien" nicht an die Vorgaben zum Schutz durch Masken und Handhygiene gehalten hätten.
Vor diesem Hintergrund ist es ebenso falsch wie fahrlässig, die Cochrane-Analyse als Beleg dafür zu zitieren, dass Masken keinen Einfluss auf die Ausbreitung von Sars-CoV-2 und damit den Pandemieverlauf gehabt hätten. Zwei ausgefallene Influenzawellen und viele verhinderte Schnupfen-Infektionen während der Pandemie sprechen hingegen für einen Schutzeffekt durch Masken.