Süddeutsche Zeitung

Covid-19:Maske auf - aus Solidarität!

Bald fällt die Maskenpflicht weitgehend. Das wird als Freiheit gefeiert. In Wahrheit ist es ein Ausdruck von Rücksichtslosigkeit.

Kommentar von Christina Berndt

Deutschland steht kurz vor der Maskenwende. Fast zwei Jahre lang waren die Stofflappen im öffentlichen Raum kaum aus den Gesichtern wegzudenken, nachdem eine Maskenpflicht zu Beginn der Pandemie kaum auszudenken war. Behörden ignorierten den Nutzen der Masken, viele Bürgerinnen und Bürger sahen in ihnen den ultimativen Raub ihrer Rechte, und Mediziner meinten gar, nur sie könnten richtig damit umgehen. Dass die Masken in Asien seit langem ein Ausdruck von Rücksichtnahme auf Mitmenschen sind? Deutsche fanden das bizarr.

Entsprechend euphorisch wird der Wegfall der Maskenpflicht in weiten Teilen der Bevölkerung jetzt gefeiert. Nur leider gibt es da überhaupt nichts zu feiern. Es wäre so klug und einfach, das bisschen Stoff vor Mund und Nase noch eine Weile zu nutzen, um Alte und Kranke zu schützen und eine Welle von Long-Covid-Fällen auch unter Jungen und Gesunden zu verhindern - wenigstens so lange, wie die Inzidenzen so gigantisch sind.

Masken sind ein Ausdruck von Solidarität

Doch statt die Masken als das pragmatische Instrument zu betrachten, das sie sind, wird ihre Ablehnung mit einem weiteren Kniff begründet - als Instrument, das eine Freiheit ohne Rücksicht geradezu rechtfertigt. Dank der Masken könnten sich Gefährdete ja schließlich selbst schützen, heißt es jetzt. Sollen doch diejenigen sie tragen, die sie brauchen, und alle anderen, bitteschön, in Ruhe lassen. Am berühmten Massachusetts Institute of Technology, eine Hochburg der Wissenschaft, ist es künftig gar verboten, andere auch nur zu bitten, ebenfalls eine Maske aufzusetzen.

Was für eine absurde Wendung! Es ist schon richtig, dass FFP2- Masken anders als einfache OP-Masken vornehmlich dem Selbstschutz dienen. Aber natürlich wird dieser Schutz verbessert, wenn das Umfeld mitmacht. Wo sich nur Maskenträger aufhalten, fliegen zweifellos weniger Viren herum als dort, wo nur ein paar Freiwillige Mund und Nase bedeckt halten. Es sollte daher selbstverständlich sein, dass Menschen, die besonders gefährdet sind, andere darum bitten können, zu ihrem Schutz beizutragen. Eigentlich sollten sie das sogar erwarten dürfen, indem der Staat die Maskenpflicht aufrechterhält.

Doch der Wegfall dieser Pflicht wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass immer weniger Menschen ihren Atem filtern werden. Eine Maske zu tragen wird dann zu einem Sinnbild von Angst oder Schwäche. Dabei ist das Tragen von Masken mehr als ein Zeichen dafür, dass man sich nicht anstecken darf oder will. Es ist ein Ausdruck von Solidarität. Es wäre schön, wenn viele Menschen diese Solidarität zeigen würden. Freiheit ist ja gut. Aber Freiheit ohne Verantwortung ist keine Freiheit, sondern Egoismus.

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