Masern:Wo die Impflücken groß sind

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Masern-Impfung Impfquoten der zweiten Masernimpfung bei Kleinkindern (Foto: SZ-Grafik: Torben Schnieber; Quelle: Versorgungsatlas)

Viele Eltern lassen ihre Kinder zu spät, manche gar nicht impfen. Besonders schlecht ist die Rate in einigen Regionen Bayerns. Warum sich die Impfquoten so stark unterscheiden.

Von Christina Berndt

Längst könnten die Masern in Europa ausgerottet sein. Doch die Impfmüdigkeit der Deutschen hat diesen schönen Plan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits öfter vereitelt. So mussten die WHO-Experten ihre "Masern-Deadline" zuletzt von 2010 auf 2015 verschieben, auch weil es in Deutschland immer wieder zu heftigen Ausbrüchen kommt wie im Frühjahr in Bayern und Berlin. Eine Impfquote von 95 Prozent sei Grundvoraussetzung für die Ausrottung, heißt es bei der WHO.

Bislang dachte man in Deutschland, man sei - abgesehen von den regionalen Ausbrüchen - nah dran an diesem Soll. Doch ein genauer Blick, wie ihn jetzt Wissenschaftler für den "Versorgungsatlas" der kassenärztlichen Vereinigungen vorgenommen haben, zeigt: In Deutschland gibt es nicht nur Impfgegner, -skeptiker und -müde. Auch der überwiegende Teil der Bevölkerung, der Impfen als einen bedeutenden Schutz für die Gesundheit betrachtet, scheint nicht genügend auf Zack zu sein.

Die Deutschen impfen ihre Kinder zu spät. So geben sie den Masern-Viren gefährlich viel Zeit, sich immer wieder neue Opfer zu suchen. Und das in einem Alter, in dem die Viren bei den Kindern besonders großen Schaden anrichten können.

Auffallend groß sind die regionalen Unterschiede in der Impffreudigkeit. So sind der Rhein-Kreis Neuss und die thüringischen Kreise Sonneberg und Nordhausen die Spitzenreiter. Hier sind jeweils fast 80 Prozent der Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag zweimal geimpft worden, wie dies die Ständige Impfkommission empfiehlt.

Die Schlusslichter finden sich mit Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz-Wolfratshausen, Passau, Rosenheim und der Stadt Landshut sämtlich in Bayern. Die großen Unterschiede auf Kreisebene seien für sie überraschend gewesen, sagt die Leiterin der Studie, Maike Schulz. Hier liege mitunter ein Kreis mit hoher Impfquote direkt neben einem mit besonders niedriger. So gibt es auch in Bayern durchaus gut versorgte Regionen wie die Stadt Hof mit fast 70 Prozent an zweimal geimpften Kindern.

Impfmüdigkeit hat auch etwas mit dem sozialen Status zu tun. Das zeigt die aktuelle Studie erneut. Sie sei vor allem unter gebildeten Müttern verbreitet. "Diese Faktoren können die Unterschiede jedoch nur teilweise erklären", sagt Versorgungsatlas-Leiterin Sandra Mangiapane. "Auch der Einfluss regional unterschiedlich stark vertretener impfkritischer Ärzte, Heilpraktiker und Homöopathen wirkt sich vermutlich aus."

Viele Eltern koste es Überwindung, ihrem gesunden Kind einen Fremdstoff injizieren zu lassen, ergänzt Maike Schulz. Wenn dann noch "ein kleiner nagender Zweifel" am Nutzen der Impfung gelegt werde, dann sähen viele von der Immunisierung gleich ganz ab. "Impfskepsis und Impfangst sind ansteckend", erklärt Schulz.

Auch in Ostdeutschland ist die Quote der Zweitimpfungen zum Teil gering - obwohl es kaum Impfskepsis gibt und die Erstimpfungsquote hoch ist. In Sachsen wird die zweite Impfung erst ab dem sechsten Lebensjahr empfohlen. In den anderen Ländern sei es Ärzten häufig nicht bewusst, dass es sich bei der zweiten Impfung keineswegs um eine Auffrischimpfung handelt, sagt Schulz. Eine solche ist bei der Masernimpfung gar nicht nötig, weil diese lebenslangen Schutz bietet. Vielmehr geht es darum, jene Kinder noch zu erreichen, die auf die erste Impfung nicht angesprochen haben. Das sind immerhin drei bis fünf Prozent. "Somit sind Zehntausende Kinder, die eine Erstimpfung bekommen haben, bis zur Zweitimpfung nicht geschützt, obwohl die Eltern das denken", sagt Schulz.

Im Westen wissen viele Erwachsene dagegen gar nicht, wie gefährlich die Masern sind. Vor allem in den Köpfen der nach 1970 Geborenen sind die Masern als harmlose Kinderkrankheit abgespeichert. "Die hatten wir doch alle - und uns haben sie auch nicht geschadet", lautet ein gängiges Argument.

"Leider wird dabei vergessen, dass Personen mit schwerwiegenden Komplikationen davon eben nicht mehr berichten können", so Schulz. Denn die gefürchtete akute Gehirnentzündung, die bei einer von 1000 bis 5000 Maserninfektionen auftritt, kostet fast jedes dritte betroffene Kind das Leben. Ein weiteres Drittel der erkrankten Kinder wird zwar geheilt, aber es bleiben dauerhafte Schäden am Gehirn zurück, die zu körperlichen oder geistigen Behinderungen führen.

© SZ vom 18.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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