Medizin:Die Impfpflicht bei Masern ist sinnvoll

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Eine Impfpflicht bei Masern wünschen sich die Bürger hierzulande ungefähr so sehr wie einen Veggie-Day in der Kantine. (Foto: Owen Humphreys/dpa)

Sie schützt nicht nur die eigenen Kinder vor der Krankheit. Mitunter schleppen deutsche Urlauber das Virus auch in andere Länder und lösen Epidemien aus. Solange die Impfung freiwillig ist, wird sie nicht ernst genug genommen.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Es ist selten, dass man deutsche Politiker für ihre Haltung bewundern muss. Karl Lauterbach (SPD) und Jens Spahn (CDU) allerdings verdienen Bewunderung, wenn sie im Kampf gegen die Masern nun erneut eine Impfpflicht fordern. Denn gerade in Deutschland macht man sich damit bei den Wählern unbeliebt. Eine verpflichtende Immunisierung wünschen sich die Bürger hier ungefähr so sehr wie einen Veggie-Day in der Kantine oder Fahrverbote in Innenstädten. Und sei es, dass es wie im Fall der Masern um Menschenleben geht.

Denn persönliche Freiheit kommt immer noch vor gemeinschaftlicher Verantwortung: Da möchte die Familie aus dem beliebten Szenestadtteil unberührte Natur genießen, das Klima schützen und möglichst wenig mit einer von Pharmalobbyismus durchtränkten Schulmedizin zu tun haben, weshalb die Kinder natürlich nicht gegen Masern geimpft werden. Man lässt sich doch nichts vorschreiben! Für die Flugreise nach Südostasien wird dann aber trotzdem das Tropeninstitut konsultiert, denn wer weiß, was man sich in diesen fremden, gesundheitspolitisch unterentwickelten Gegenden nicht alles einfängt.

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Dabei wäre unter Umständen auch die Frage angebracht, was man in diese fremden Gegenden nicht alles mitbringt, und zwar aus dem eigenen, gesundheitspolitisch unterentwickelten Land - über die eigenen Kinder, die von der Schule oder Kita direkt zum Flughafen gekarrt werden oder auch bloß, Stichwort Klimaschutz, mit Auto oder Wohnwagen ins europäische Ausland. Masernepidemien wie jene vor zehn Jahren in Bulgarien sollten eigentlich hinreichend gezeigt haben, wie schwerwiegend die Folgen sein können. Das Masernvirus wurde damals von Reisenden aus Hamburg eingeschleppt.

Mindestens 24 Menschen starben allein in dem Balkanstaat. Der Erreger breitete sich über zwei Jahre hinweg in insgesamt elf Ländern aus. Und ja, dergleichen kann jederzeit wieder passieren. Einfach, weil es mitten in Europa, im Vorzeigeland Deutschland, keine Impfpflicht gibt. Dabei haben Studien hinlänglich gezeigt, dass gerade die Masernimpfung wichtig und sicher ist. Dass aufgrund ihrer Zusammensetzung zwar Fieber oder leichte Impfmasern auftreten können. Dass insgesamt jedoch Todesfälle verhindert und schwerste Spätkomplikationen vermieden werden - und das eben nicht nur vor und hinter der eigenen Haustür.

Gerade dort, vor der eigenen Haustür, ist der Nachwuchs der gefährlichen Infektionskrankheit Masern nun erneut ausgesetzt, und zwar an mehreren Orten. Daran sind nicht allein die Impfgegner schuld, die mit ihren konstruierten Verschwörungstheorien Zweifel an Immunisierungen nähren und dadurch viele Leben aufs Spiel setzen. Es gibt auch Menschen, denen die Bedeutsamkeit von Impfungen unklar ist - und wahrscheinlich auch bleiben wird, solange es keinerlei Verpflichtung für eine Teilnahme gibt. Was freiwillig ist, kann kaum wichtig sein, sonst wäre es nicht freiwillig.

Diesen Zustand zu beenden und dem Beispiel Frankreich wenigstens im Fall der Masern zu folgen, ist für sich betrachtet schon Pflicht, und zwar eine politische. Man kann Lauterbach und Spahn nur wünschen, dass sie diese Herausforderung meistern. Es wäre ein Fortschritt für die ganze Welt.

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