Epidemie:Die Masern töten Tausende in Afrika - und keiner bekommt es mit

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Mikroskop-Aufnahme eines Masern-Virus (Foto: dpa)

Die Europäer interessieren sich für Krankheiten zwischen Kapstadt und Nairobi nur, wenn sie exotisch und gruselig sind.

Kommentar von Werner Bartens

Die meisten vermeidbaren Todesfälle und Tragödien finden unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit statt. Vor wenigen Tagen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet, dass an der Masern-Epidemie im Kongo mittlerweile mehr als 6000 Menschen gestorben sind. Seit Jahresbeginn 2019 sind dort 310 000 Menschen an dem Virusleiden erkrankt.

Zwar gab es lokale Initiativen und internationale Unterstützung, wodurch immerhin 18 Millionen Kinder im Kongo gegen Masern geimpft werden konnten. Doch mancherorts betrug die Impfquote nicht mal 25 Prozent, sodass die Erreger leichtes Spiel hatten.

Die Seuche im Land am Äquator zeigt wieder einmal deutlich, wie gefährlich Masern tatsächlich sind. Im Kongo ist jeder fünfzigste Erkrankte an dem Leiden gestorben. Im Eifer der hiesigen Impfdebatten wird die Gefahr oft unterschätzt.

Masern sind zwar auch in Europa manchmal tödlich, aber nur bessere - wenn auch nicht ausreichende - Impfquoten und die flächendeckende Gesundheitsversorgung verhindern, dass die Krankheit auch hier noch mehr dramatische Verläufe und tödliche Komplikationen mit sich bringt.

Die Anteilnahme sinkt mit dem räumlichen Abstand zu den Toten

Die plötzliche Irritation, die 6000 Masern-Tote auslösen, zeigt aber noch etwas anderes. Henning Ritter hat in seinem Buch "Nahes und fernes Unglück" über Abstufungen des Mitleids geschrieben. Das Ausmaß der Anteilnahme hängt von der räumlichen Distanz zu den Opfern ab.

Es spielt aber auch eine Rolle, wie verstörend ein Leiden wirkt. Geht es um Krankheiten in Afrika, hat in den vergangenen Jahren Ebola die Schlagzeilen bestimmt - eine noch nicht richtig verstandene Erkrankung, schwer zu behandeln, an der die Mehrzahl der Opfer qualvoll durch innere Blutungen stirbt.

Es geht nicht darum, Opferzahlen zu vergleichen, sondern ins Bewusstsein zu rufen, dass Menschen in Afrika nicht nur an Ebola oder Aids sterben. Es sind vielmehr altbekannte Infektionskrankheiten, in Europa eher aus der Medizingeschichte denn aus der Gegenwart vertraut, an denen etliche Menschen in den armen Regionen der Welt viel zu früh sterben: Durchfall, Tuberkulose, Meningitis, Diphtherie, Cholera und andere Leiden wie eben die Masern.

Dieses alltägliche Leiden ist nicht neu. Es taugt auch nicht für Horrorfilme wie "Outbreak", in dem es um einen fiktiven Ebola-Ausbruch geht. Dieses Leid entgeht meistens unserer Wahrnehmung, die eher durch schrille Reize stimuliert wird. Gegenüber dem alltäglichen Leiden und Sterben in Afrika sind die meisten Menschen abgestumpft. Dabei braucht es wenig, um Abhilfe zu schaffen: Sauberes Wasser, bewährte Medikamente, genügend Nahrung. Das ist keine Raketenwissenschaft, man muss nur hinschauen.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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