Afrika:Invasive Moskitoart erhöht Malariarisiko

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Anopheles stephensi stammt ursprünglich aus Asien, fühlt sich mittlerweile aber auch in Teilen Afrikas wohl. (Foto: James Gathany/AP)

Einer aus Asien stammenden Stechmücke ist offenbar der Sprung nach Afrika gelungen. Sie agiert tückischer als ihre einheimischen Verwandten - und könnte auch in Metropolen die Malaria-Gefahr steigern.

Von Gretchen Vogel

Vor fast einem Jahrzehnt schien die Republik Dschibuti kurz vor der Ausrottung der Malaria zu stehen. In dem kleinen Land am Horn von Afrika gab es 2012 nur 27 Fälle. Doch zwischen Februar und Mai 2013 brach die Krankheit 1228 Mal aus, gefolgt von einer weiteren Welle mit mehr als 2100 Fällen im November 2013. Seltsamerweise erkrankten viele Menschen in der Hauptstadt Dschibuti-Stadt. In Afrika ist Malaria vor allem ein ländliches Problem.

Der Ausbruch ist keine Anomalie, sondern markiert die Ankunft einer neuen Bedrohung: der invasiven Mücke Anopheles stephensi, die offenbar kurz vor dem Ausbruch aus Asien nach Afrika gelangt ist. In Dschibuti gab es im vergangenen Jahr mehr als 73 000 Malariafälle, was zumindest teilweise auf diese Mücke zurückzuführen ist. Vor Kurzem wurde auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Tropenmedizin und Hygiene (ASTMH) in Seattle eine Studie vorgestellt, die einen ungewöhnlichen Malariaausbruch Anfang des Jahres in einer äthiopischen Stadt mit demselben Überträger in Verbindung bringt. Anopheles stephensi wurde auch im Sudan, in Somalia und Nigeria gesichtet, und möglicherweise lauert er auch in anderen Ländern.

"Dies ist eine der größten Bewegungen eines Malariavektors in den letzten 50 Jahren", sagt Seth Irish, ein medizinischer Entomologe bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die Malaria, an der in Afrika jedes Jahr eine halbe Million Menschen sterben, die meisten davon Kinder unter fünf Jahren, dadurch noch verstärkt wird. Um die Bedrohung besser einschätzen zu können, hat die WHO eine neue Initiative gestartet, um die Überwachung der Art zu verstärken und ihre Gewohnheiten zu untersuchen.

Anopheles stephensi gedeiht nicht nur in der Regenzeit wie ihre afrikanischen Verwandten

In einem 2014 in Acta Tropica veröffentlichten Artikel über den Ausbruch in Dschibuti wurde erstmals berichtet, dass Anopheles stephensi, die in Südasien und auf der Arabischen Halbinsel beheimatet ist, den kurzen Sprung nach Afrika geschafft hat. Der Artikel schlug auch Alarm, was dies bedeuten könnte: Im Gegensatz zu den meisten afrikanischen Stechmücken, die Malariaparasiten übertragen, fühlt sich dieser Moskito in Städten wohl - das könnte die Ankunft der Stechmücke zu einer "bedeutenden zukünftigen Gesundheitsbedrohung" für Afrika machen, warnten die Forscher.

Anopheles stephensi ist in ihrem ursprünglichen Lebensraum als effizienter Malariaüberträger bekannt, insbesondere in Städten. Die Mücke kann beide Parasiten übertragen, die die meisten Malariafälle beim Menschen verursachen: Plasmodium vivax und den tödlicheren Plasmodium falciparum. Sie gedeiht in künstlichen Wasserquellen wie Zisternen und sogar Tiefbrunnen, sodass sie auch in trockenen Jahreszeiten aktiv bleiben kann. Ihre afrikanischen Verwandten, wie Anopheles gambiae und funestus, bevorzugen eher ländliche Umgebungen und legen ihre Eier in Pfützen ab, die in vielen Ländern nur in der Regenzeit vorkommen, sodass sie in der übrigen Zeit des Jahres von der Krankheit verschont bleiben.

Bewährte Schutzmaßnahmen wie Moskitonetze sind gegen Anopheles stephensi womöglich nicht sehr wirksam. (Foto: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP)

In einer Studie aus dem Jahr 2020 wurde geschätzt, dass 126 Millionen Menschen einem erhöhten Malariarisiko ausgesetzt sein könnten, wenn sich die Stechmücke unkontrolliert ausbreitet. "Wir wissen jedoch nicht viel darüber, wo sie sich aufhält und welchen Beitrag sie wirklich zur Übertragung leistet", sagt Jan Kolaczinski, ein medizinischer Entomologe bei der WHO. Die Epidemiologin Anne Wilson, die mit ihren Kollegen von der Liverpool School of Tropical Medicine (LSTM) die Ausbreitung von Anopheles stephensi im Sudan und in Äthiopien verfolgt hat, stellt fest, dass in einigen Gebieten, in denen der Moskito gefunden wurde, die Malariafälle nicht zugenommen haben.

Um die Rolle der Mücke besser zu verstehen, verfolgten der Molekularbiologe Fitsum Tadesse vom Armauer-Hansen-Forschungsinstitut in Addis Abeba, Äthiopien, und seine Kollegen die Malariafälle in Dire Dawa, einer Stadt im Osten des Landes, in der es in der ersten Hälfte dieses Jahres während der Trockenzeit zu einem ungewöhnlichen Ausbruch von mehr als 2400 Fällen kam. Im gesamten Jahr 2019 hatte es in der Stadt nur 205 Fälle gegeben. Sie testeten Haushaltsmitglieder von 80 Malariapatienten und verglichen sie mit Haushalten von 210 Personen, die nicht an der Krankheit litten. Menschen, die mit Malariakranken zusammenlebten, hatten ein 5,6-mal höheres Infektionsrisiko. Das Team stellte fest, dass im Umkreis von 100 Metern um infizierte Haushalte mehr Moskitos brüteten - und 97 Prozent der erwachsenen Moskitos waren Anopheles stephensi.

Die Mücke ist gut an das Stadtleben angepasst, aber sie brütet auch in Brunnen auf dem Land

Die Studie liefere den bisher klarsten Beweis dafür, dass das invasive Insekt einen Anstieg der Malariafälle verursachen kann, sagt Martin Donnelly, ein Evolutionsgenetiker am LSTM, der nicht an der Studie beteiligt war. "Das ist ein großer Schritt nach vorn."

Auf der ASTMH-Tagung zeigten die Daten des Entomologen Hmooda Kafy von der Universität Khartum, dass Anopheles stephensi in 39 von 61 untersuchten Gebieten im ganzen Land vorkommt. In einigen Gebieten wurde die Stechmücke in rund neun von zehn Haushalten oder in deren Nähe nachgewiesen. In Kenia wurde die Mückenart noch nicht entdeckt, aber Forscher überprüfen dort archivierte Proben. Zugleich hat das Land seine Bemühungen zur Überwachung verstärkt. Tadesse vermutet, dass sich die Mücke weiter verbreitet hat als bislang angenommen, möglicherweise per Anhalter in Schiffscontainern: "Es ist wahrscheinlich, dass man sie in allen Ecken des Kontinents finden kann", sagt er.

Obwohl Anopheles stephensi gut an das Stadtleben angepasst ist, brütet sie auch in Zisternen oder Brunnen auf dem Land, bemerkt Sarah Zohdy, Entomologin bei der US-Seuchenschutzbehörde CDC. "Wir nennen ihn einen städtischen Vektor, aber er ist eigentlich überall zu finden", sagt sie.

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SZ PlusVon Berit Uhlmann

Die in Afrika vorkommenden Stämme von Anopheles stephensi sind weitgehend resistent gegen die am häufigsten verwendeten Insektizide. Sie halten sich wohl lieber in Scheunen oder Schuppen als in Wohngebäuden auf und stechen Menschen, wenn diese draußen sind. Standardmaßnahmen zur Mückenbekämpfung wie mit Insektiziden behandelte Moskitonetze und das Besprühen von Innenräumen mit Insektiziden sind daher möglicherweise nicht sehr wirksam.

Eine Bekämpfungsmaßnahme besteht darin, Wasserreservoirs abzudecken, damit die erwachsenen Mücken ihre Eier nicht darin ablegen können, was sich jedoch oft als schwer durchführbar erweist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dem Wasser ein Insektizid beizumischen, das auf die unreifen Mücken in ihrem Larvenstadium abzielt. Beide Ansätze helfen auch bei der Bekämpfung von Aedes-Mücken, die Viruskrankheiten wie Dengue und Chikungunya übertragen.

Mehr Forschung über Anopheles stephensi sei dringend erforderlich, damit die WHO ihre Empfehlungen zur Bekämpfung feiner abstimmen könne, sagt Seth Irish. "Es ist ein großes Problem, aber wir müssen Zeit und Mühe investieren, um die tatsächlichen Auswirkungen zu verstehen."

Dieser Beitrag stammt aus dem Wissenschaftsmagazin Science. Es handelt sich nicht um eine offizielle Übersetzung der Science -Redaktion. Im Zweifel gilt das englische Original, herausgegeben von der AAAS. Deutsche Bearbeitung: cvei

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