Covid-19:Was Luftfilter gegen das Virus ausrichten können

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Gute Geräte können die Luft in einem geschlossenen Raum virenfrei machen. Experten plädieren dafür, sie im Winter in Klassenräumen einzusetzen.

Von Christina Berndt

Das Atmen ist das größte Problem - so viel weiß man mittlerweile über Infektionen mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2. Türklinken, Speisekarten, Griffe von Einkaufswagen können im Einzelfall Infektionsquellen sein. Aber in der Regel stecken sich Menschen an, weil sie die von anderen ausgeatmeten Coronaviren einatmen. Diese stehen, verpackt in winzige Lufttröpfchen, als Aerosole mitunter stundenlang im Raum.

Masken schützen also und Lüften auch. Aber gibt es nicht, gerade mit Blick auf die kühleren Temperaturen im Winter, angenehmere Möglichkeiten? Wer viel Kundenkontakt hat, in die Schule geht oder den ganzen Tag Patienten behandelt, empfindet es schnell als Zumutung, dauerhaft Masken zu tragen - vor allem solche, die eng anliegen und besonders effektiv schützen. Da springen Anzeigen von Geräteherstellern ins Auge, die Filter zur Reinigung der Raumluft anbieten. Die Geräte saugen die Raumluft meist an der Unterseite an, schicken sie durch einen mehrlagigen Filter und stoßen sie oben wieder aus. Ist das die Rettung vor der Maskenpflicht zum Beispiel an Schulen?

"Die Geräte können sehr effektiv sein", sagt Christian Kähler. Der Physiker leitet das Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München, er ist Experte für das Filtern von Luft. Seit der Corona-Krise hat Kähler bereits mehrere Untersuchungen zu Aerosolen und Masken durchgeführt und sich in einer aktuellen Studie nun auch den Raumluftfiltern zugewendet.

Bei Temperaturen unter null Grad Celsius wird es schwierig, alle halbe Stunde die Fenster aufzureißen

Sein Fazit: "Mithilfe der Filter werden indirekte Infektionen, die bei einer hohen Virenlast im Raum auftreten können, weitestgehend verhindert." Sie könnten also einen guten Schutz in Schulen, Arztpraxen oder Büros bieten. Um auch noch eine direkte Ansteckung zu verhindern, die ein Sitznachbar beim Atmen, Sprechen oder Husten absondert, rät Kähler zusätzlich zu Plexiglastrennwänden.

Für den Einsatz von Luftfiltern an Schulen plädiert auch der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach. "Im Winter wird es nicht mehr möglich sein, auf die Lüftungsmenge zu kommen, die nötig ist, um den Schulbetrieb sicher zu machen", sagt er. "Bei null Grad Außentemperatur können kaum jede halbe Stunde für zehn Minuten die Fenster aufgerissen werden." Die Filter könnten eine Lösung sein, so Lauterbach.

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Allerdings ist Filter nicht gleich Filter. "Wenn man einen guten Filter will, der Sars-CoV-2-Viren zuverlässig aus der Luft entfernt, dann muss es ein H14-Schwebstofffilter sein, der nach der EU-Norm EN1822-1 geprüft ist", sagt Kähler. Schon eine Klasse kleiner reicht nicht: H13-Filter scheiden nur noch die im Vergleich zu Viren deutlich größeren Bakterien zuverlässig ab. Auch sagt die oft gelobte Bezeichnung "HEPA" (High Efficiency-Particulate Air) nichts aus. "HEPA ist ja kein geschützter Begriff", sagt Kähler, "das darf man überall draufschreiben."

Sechsmal pro Stunde sollte die gesamte Raumluft das Gerät passieren. Sonst bringt es nichts

Wird das richtige Gerät verwendet, kommt hingegen kaum noch ein Keim durch, der dem Menschen gefährlich werden kann. Selbst die besonders schwierig abzuscheidenden Aerosolpartikel zwischen 0,1 und 0,3 Mikrometer Durchmesser werden Kählers Studie zufolge zu 99,995 Prozent aus der Luft abgeschieden. Bei einer großen Virenlast im Raum könne es somit schon mal sein, dass ein einzelnes Virus in der Luft bleibt. "Aber das macht nichts", sagt der Physiker. Ein Mensch könne nach Schätzungen zwischen 500 und 2000 Viren einatmen, ohne dass er krank werde.

Ein Problem vieler Geräte ist neben dem zu geringen Abscheidegrad ihr Volumenstrom. "Die Luftwechselrate pro Stunde muss dem Sechsfachen des Raumvolumens entsprechen", sagt Kähler - sonst wird schlichtweg zu wenig Luft gereinigt. Für einen 40 m² großen Raum mit einem Volumen von 100 m³ muss das Gerät folglich 600 m³ pro Stunde leisten. Außerdem sollte es geräuscharm sein: Ein Apparat, der nervt und deshalb ausgeschaltet wird oder mit zu niedriger Leistung läuft, schafft nur eine Illusion von Schutz. Meist sind größere Geräte am leisesten, weil ihre großen Lüfter mit niedrigerer Drehzahl laufen.

Der Luftfahrtexperte Dieter Scholz, der sich an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg ebenfalls mit Raumluftfiltern beschäftigt, gibt zudem zu bedenken, dass der Aufstellort der Geräte bedeutend ist. Denn wenn Infizierte husten, sind die Viren erst einmal im Raum und müssen den Filter erreichen, bevor sie unschädlich gemacht werden. "Der Raumluftreiniger erhöht zunächst die Verteilung der Viren im Raum", sagt Scholz. Wie gut er arbeite, hänge auch davon ab, wie viele Menschen im Raum sind und wie hoch die Decke ist. Von der Kirche übers Büro zum Flugzeug werde die Virenkonzentration bei gleicher Luftwechselrate deshalb immer höher. Grundsätzlich hält aber auch Scholz den Einsatz solcher Geräte in Schulen und öffentlichen Räumen für sinnvoll.

Die Sorge, dass sich die Geräte mit der Zeit zu Virenschleudern entwickeln, ist jedenfalls unbegründet. "Die Viren bleiben zwar zunächst in dem Filter hängen", sagt Kähler, "aber ihre Infektiosität nimmt schnell ab." Die Halbwertszeit betrage 1,1 bis 1,2 Stunden - schon nach einer Stunde und sechs Minuten sind also die Hälfte der Viren nicht mehr infektiös. "Wenn man den Filter über Nacht stehen lässt, ist er coronafrei", so der Physiker. Erst nach etwa fünf Jahren sollten die Filter überprüft werden - so lange arbeiten solche Geräte auch in Krankenhäusern, um etwa Operationssäle mit frischer Außenluft zu versorgen.

Manche Kultusministerien haben die Anschaffung der Filter für Schulen allerdings bereits mit Verweis auf die Kosten abgelehnt. Für den SPD-Politiker Lauterbach ist das unverständlich - auch wenn ein Profigerät, das die Luft eines Klassenraums effektiv reinigt, um die 3000 Euro kostet. "Pro Schüler sind das maximal 80 bis 100 Euro", so Lauterbach. "Kinder dürfen uns nicht weniger wert sein als Wirtschaft." Auch Christian Kähler ist der Meinung, dass sich die Anschaffung lohnt - und sogar schnell amortisiert. "Das ist immer noch deutlich günstiger als das ständige Lüften der Räume und die damit verbundenen Heizkosten."

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