Die Diskussion darum, ob die vielen Betroffenen von Long Covid sich ihre Symptome vermutlich doch oder zum großen Teil nur einbilden könnten, reißt auch nach zwei Jahren Pandemie nicht ab. Es gibt sie in Hausarztpraxen, in Personalabteilungen und Freundeskreisen. Sagt einer "Long Covid", antworten zwei: "Ja, aber ich bin ja auch total erschöpft durch die Pandemie - und jetzt noch der Krieg!"
Die zusätzliche Belastung, die durch diese öffentliche Dauerrelativierung für Betroffene entsteht, ist enorm. Neben der schwierigen Suche nach medizinischer Hilfe müssen sie permanent um Anerkennung kämpfen. Und das Gesundheitsministerium tut derzeit wenig dafür, dass das irrsinnige Missverständnis von Long Covid als eingebildeter Krankheit besser aufgeklärt wird. Sähe ja auch nicht besonders gut aus: Maßnahmen aufheben in einer Hochinzidenzphase, wenn gleichzeitig etwa zehn Prozent aller Infizierten über den dritten Monat hinaus an diversen anhaltenden oder neu auftretenden gesundheitlichen Beschwerden leiden.
Genau das allerdings ist die Situation. In Deutschland sind nach Schätzungen bereits mehr als 600 000 Menschen von Long Covid betroffen. Die Krankheitsbilder sind sehr unterschiedlich und treten auch nach relativ milden Akutverläufen auf. Die gravierendsten Fälle (schätzungsweise etwa ein bis zwei Prozent aller Infizierten) entwickeln dabei Symptome, die der postinfektiösen Erkrankung ME/CFS entsprechen, auch als Chronic Fatigue Syndrom bekannt. Die Betroffenen können oft nicht mehr arbeiten, manche sind dauerhaft ans Bett gefesselt.
Wie also fühlt es sich wohl an, wenn man nach einer Infektion fürchtet und gleichzeitig eben schlichtweg körperlich spürt, der oder die eine Unglückliche zu sein, die es erwischt hat - und dann dauernd Zweifel am eigenen Erleben gespiegelt bekommt? Manche verzweifeln darüber gerade in der Diagnosephase fast ähnlich stark wie an der Erkrankung selbst. Besonders gravierend ist dabei die Missachtung von Ärzten. Denn eigentlich ist es ja ihre Kernaufgabe, Patientinnen und Patienten ernst zu nehmen. Im Praxisalltag scheint es allerdings schwieriger zu sein, besonders bei einer neuartigen Erkrankung, für die es noch keine Biomarker gibt und die logischerweise auch psychisch belastend ist. Der Schritt zur Unterstellung, es wäre nur eingebildet, ist dann ein kleiner.
Aufklärung über die Entstehung der Erkrankung und wie man damit umgehen könnte, sind also das Wichtigste, um die Stigmatisierung zu verhindern. Dafür müsste man sich der Tragweite des Problems allerdings stellen und es nicht weiter verdrängen.