Listerien: Warum sind Listerien so gefährlich?

Listerien unter einem Elektronenmikroskop

Listeria monocytogenes kann schwere Lebensmittel-Infektionen auslösen.

(Foto: REUTERS)
  • Dutzende Erkrankungen und zwei Todesfälle könnten auf Listerien in der Wurst eines hessischen Herstellers zurückgehen.
  • Die Fälle nehmen seit Jahren zu.
  • Ursachen könnten in Entwicklungen der modernen Lebensmittelindustrie liegen, aber auch im Verhalten der Verbraucher.

Von Berit Uhlmann

Der krankmachende Aufschnitt wird womöglich noch immer irgendwo in Deutschland aufgetischt. Zwei Todesfälle und 37 weitere Erkrankungen werden in Verbindung mit Produkten der hessischen Firma Wilke gebracht. Bakterien der Gattung Listeria wurden in Würsten des Herstellers nachgewiesen, auch der Möbelkonzern Ikea hatte sie in seinen Kundenrestaurants angeboten. Nun sind sie zwar raus aus dessen Theken. Doch in welche Geschäfte, Kantinen und Gaststätten Waren der Firma noch gelangt sein könnten, ist unklar - wohl auch, weil das Unternehmen seine Produkte unter verschiedenen Markennamen verkauft und sie häufig weiterverarbeitet werden.

Die jüngsten Ereignisse sind ein Beispiel für die komplexen Handelswege der modernen Lebensmittelindustrie, die es erschweren, verdächtige Produkte schnellstmöglich aufzufinden und Ausbrüche rasch einzudämmen. Sie könnten daher mitverantwortlich für eine langfristige Entwicklung sein: Infektionen mit Listerien nehmen zu. In Deutschland sind im vergangenen Jahr etwa 700 Fälle von schweren Listerien-Infektionen registriert worden. Zehn Jahre zuvor waren es ungefähr 300. Die Erkrankungszahl ist verglichen mit anderen Lebensmittelinfektionen zwar noch immer niedrig. Doch besorgniserregend ist die hohe Zahl an Todesfällen. 32 Menschen starben 2018 an der Infektion, die meist harmlos verläuft, in schweren Fällen aber zu einer Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute oder zu einer Blutvergiftung führen kann. Infizierte Schwangere können eine Früh- oder Totgeburt erleiden oder schwere Krankheitsverläufe beim Kind auslösen.

Die auslösenden Bakterien sind in der Umwelt weit verbreitet: Man findet sie in der Erde, in Gewässern, in Pflanzen. Tiere nehmen die Erreger häufig über kontaminiertes Futter auf; sie erkranken nicht zwangsläufig, beherbergen die Keime aber in ihrem Verdauungstrakt. Beim Melken und Schlachten können die Mikroben in Lebensmittel geraten.

Warum diese Allerweltsbakterien nun aber mehr Menschen krank machen als früher, ist nicht geklärt. Angenommen werden verschiedene Ursachen. Zum einen könnten eine bessere Erfassung der Fälle und demografische Veränderungen eine Rolle spielen. Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter und leben mit chronischen Erkrankungen - zwei Faktoren, die sie anfälliger für die Infektionen machen. Diskutiert wird auch der steigende Konsum von Fertiggerichten, über die Verbraucher in der Regel weniger Kontrolle haben.

Schwangere sollten rohes Fleisch meiden, auch vorgeschnittene Salate sind nicht zu empfehlen

Traditionell gelten rohe Lebensmittel als die häufigsten Auslöser von Listeriosen: Salate und andere Gemüse gehören dazu, ebenso wie rohes Hackfleisch und Rohmilchkäse. Doch immer häufiger werden die Erreger auch über erhitzte Lebensmittel übertragen, obwohl die Keime durch hohe Temperaturen abgetötet werden. In dem Fall müssen sie nach der Hitzebehandlung erneut kontaminiert worden sein, durch den Kontakt zu rohen Lebensmitteln oder befallenen Oberflächen beispielsweise. Wurst und Fleischwaren sind besonders häufig betroffen; sie waren auch für den weltgrößten Listereriose-Ausbruch verantwortlich. Von 2017 bis 2018 erkrankten in Südafrika mehr als 1000 Menschen, mehr als 200 starben. Auch geräucherter Fisch wird oft als Quelle der Infektionen identifiziert. In jüngerer Zeit wurden jedoch auch Lebensmittel ermittelt, die vorher nicht zu den klassischen Risikofaktoren zählten: karamellisierte Äpfel, Speiseeis und Wraps beispielsweise.

Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA weist jedoch darauf hin, dass auch das Verhalten der Verbraucher eine wichtige Rolle spielt. Womöglich kommen gerade ältere Menschen den Hygieneregeln nicht mehr ausreichend nach. Auch Bestrebungen für mehr Nachhaltigkeit und weniger Lebensmittelverschwendung könnten dazu führen, dass Lebensmittel zu lange gelagert werden.

Für Verbraucher ist es daher wichtig, einige Regeln zu kennen. Chronisch kranke Menschen und Schwangere sollten rohes Fleisch und rohen Fisch sowie Rohmilchkäse meiden. Auch vorgeschnittene Salate sind nicht zu empfehlen, da sich an ihren Schnittstellen besonders häufig Keime ansiedeln.

Schwieriger ist die Situation bei hitzebehandelten Lebensmitteln. Eine Kontamination ist nicht häufig, aber eben auch kaum auszuschließen. Die Bakterien können selbst im Kühlschrank und unter Vakuumverpackungen wachsen - und das, ohne Spuren zu hinterlassen. Weder das Aussehen noch der Geruch der Lebensmittel künden von der Infektionsgefahr. Um sicherzugehen, sollten Verbraucher Lebensmittel möglichst schnell nach dem Kauf verzehren. Je länger das Essen lagert, umso stärker können sich eventuell vorhandene Listerien vermehren. Außerdem ist Hygiene in der Küche äußerst wichtig. Utensilien, die mit rohen Lebensmitteln in Kontakt kommen, sollten unmittelbar danach gereinigt werden. Ansonsten können Keime auf andere Lebensmittel verschleppt werden.

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