Lese-Rechtschreib-Schwäche:Hilfe für Legastheniker

Es gibt viele Methoden, aber nur wenige, die nützen. Münchner Forscher haben ausgewertet, wie eine Lese-Rechtschreib-Schwäche am effektivsten behandelt werden kann. Entscheidend für den Erfolg ist ein häufig unterschätzter Faktor: die Zeit.

Von Werner Bartens

Kind bei Legasthenietherapie, 2006

Für die Legastheniebehandlung braucht es in erster Linie Geduld.

(Foto: lok)

Die Kinder werden oft verspottet, sie gelten als minderbegabt oder zu faul. Dabei trifft die Legasthenie zwischen fünf und sieben Prozent der Bevölkerung und hat nichts mit der allgemeinen Intelligenz zu tun - auch Hochbegabte können an Lese-Rechtschreib-Schwäche leiden. So vielfältig die Erklärungsversuche sind, so unterschiedlich die Behandlungsansätze.

Ein Team um Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LMU München, hat in einer großen Meta-Analyse ausgewertet, welche Therapien helfen. Im Fachmagazin Plos One (online) zeigen die Wissenschaftler, dass ein gezieltes Training der Wortleseflüssigkeit, das auf einer Durchgliederung der einzelnen Silben basiert, die größten Aussichten auf Erfolg hat.

Andere Behandlungsverfahren, darunter etwa auch farbige Kontaktlinsen zur Verbesserung der Lesefähigkeit oder leistungssteigernde Medikamente, wirkten sich hingegen nicht vorteilhaft auf die Legasthenie aus.

"Nur wenige Methoden helfen den Kindern wirklich", sagt Katharina Galuschka von der LMU, die Erstautorin der Studie. "Vor allem sehr basale Prozesse der Laut-Buchstaben-Zuordnung und umgekehrt müssen in der Therapie systematisch geübt werden." Dabei wird zunächst gelernt, die einzelnen Laute und Silben zu unterscheiden und den entsprechenden Schriftbildern zuzuordnen. Erst nach und nach kommt die Eingliederung und Erkennung der Zeichen und Laute in Worten und Sätzen hinzu.

Ein Ergebnis der Untersuchung ist auch, dass längere Förderung zu besseren Erfolgen führt als eine Kurzzeitintervention. "Das mag wenig überraschen, aber es bedeutet eben auch, dass Kompaktkurse oder Blockseminare nicht so viel bringen wie eine kontinuierliche Unterstützung", sagt Schulte-Körne. Eine Stunde wöchentlich über ein halbes bis ein Jahr sei die empfohlene Mindestförderdauer.

Für die Behandlung müssen oft die Eltern zahlen

Oft wird Legasthenie spät erkannt, die Kinder und ihre Familien sind auf sich allein gestellt, da sich niemand für die außerschulische Förderung zuständig fühlt. In vielen Fällen wird die Behandlung nicht oder nicht vollständig erstattet, da Therapeuten in eigener Praxis die Behandlung nur gezahlt bekommen, wenn ihre Patienten psychisch auffällig sind. "Dabei ist ein umfassendes Betreuungskonzept nötig", sagt Schulte-Körne. "Reine Sprachtherapie reicht nicht. Oft geht es darum, die Kinder erst mal zu motivieren und ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Die haben ja zunächst meist keine Lust, zusätzlich zur Schule noch weiter zu lernen."

In den Schulen findet zu wenig Förderung statt. Der Wille sei zwar vorhanden, "aber da sitzen dann in der sechsten oder siebten Stunde ,Intensivierung' die Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, Dyskalkulie und ADHS zusammen, die Lehrkräfte sind meist nicht geschult und auf keinen Schüler kann gezielt eingegangen werden", so Schulte-Körne. Für die gesamte Grundschulzeit stünden in Bayern gar nur fünf zusätzliche Stunden zur Verfügung, um Kinder mit Legasthenie zu fördern.

"Es gibt viele tolle und motivierte Lehrer", sagt Schulte-Körne. "Aber die Art des Unterrichts beeinflusst eben auch die Ergebnisse in hohem Maße." Was nicht sehr überraschend klingt, führt in der Praxis zu erstaunlichen Unterschieden: Wenn Kinder in der Grundschule längere Zeit so schreiben dürfen, wie sie die Laute hören, kann das eine Legasthenie stark verschlimmern.

"Es gibt viel Wildwuchs in der Unterrichtsdidaktik", so der Kinder- und Jugendpsychiater. In vier bis sechs Wochen soll eine neue Leitlinie zur Legasthenie erscheinen, aus der für Lehrer, Eltern und Therapeuten ersichtlich ist, was sinnvoll ist und was eher schadet.

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