Lepra:Seit 1000 Jahren kaum verändert

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Als die Forscher die Jahrhunderte alten Erbgutsequenzen entziffert hatten - eine mühsame, in dieser Form zuvor nie geglückten Arbeit - und mit den Genomen heute zirkulierender Lepra-Erreger verglichen, kam die Überraschung: Die mittelalterlichen und die heutigen Stämme sind genetisch nahezu identisch. Innerhalb der vergangenen 1000 Jahre hat sich die Erbsubstanz der Erreger außergewöhnlich wenig verändert.

Erstaunlich ist diese Erkenntnis vor allem deshalb, weil die Lepra in den vergangenen Jahrhunderten mit unterschiedlicher Heftigkeit in Europa wütete. Vom 14. Jahrhundert an verschwand die Krankheit sogar weitgehend. "Zunächst hielt sie sich noch in Randgebieten, etwa in Südspanien, Portugal und in Osteuropa", sagt der Aachener Medizinhistoriker Mathias Schmidt. "Doch im 18. Jahrhundert war die Lepra in Europa nahezu verschwunden."

St.Vandrille und ein Leprakranker

Ein Bild aus dem 16. Jahrhundert zeigt Wandregisel, einen Heiligen aus dem 7. Jahrhundert in Frankreich. Im Mittelalter lebten viele Leprakranke abseits der Gesellschaft. Vermutlich war die Krankheit in Europa im 18. Jahrhundert auch deshalb so gut wie verschwunden.

(Foto: Getty)

Warum? Diese Frage ist nun offener den je. Als plausibel galt lange die Vermutung, der Erreger könne einen Großteil seines krankmachenden Potenzials verloren haben. Schließlich ist es in der Welt der Bakterien und Viren durchaus üblich, den eigenen Wirten mal mehr und mal weniger Schaden zuzufügen - je nachdem, welche Strategie der Erreger-Spezies die besten Überlebenschancen verspricht. So könnte auch Mycobacterium leprae dazu übergegangen sein, zwar weiterhin Menschen zu infizieren, aber keine Krankheit mehr hervorzurufen. Nach den neuen genetischen Analysen erscheint diese Begründung jedoch wenig plausibel.

So müssen sich Forscher erneut alte Fragen stellen. Trotzdem hofft nicht nur das Team um Krause, dass die genetischen Erkenntnisse helfen könnten, Mycobacterium leprae und sein Wirken endlich besser zu verstehen. Den Grundstein dafür legte vor 140 Jahren der norwegische Arzt Armauer Hansen, als er den Erreger der Lepra identifizierte. Erst von diesem Zeitpunkt an ist die Krankheitsbezeichnung Lepra überhaupt eindeutig. "Davor wurde für beinahe jede Hautveränderung der Begriff Lepra verwendet", sagt Schmidt. Das macht es schwierig, aus historischen Quellen die Verbreitung der Infektion im Mittelalter zu rekonstruieren.

Die Krankheit betrifft Schleimhäute, Haut und die Nerven in Händen und Füßen. Die verbreitete Vorstellung, wonach Lepra Hände und Füße abfaulen lässt, ist jedoch ein Missverständnis. Werden sie nicht behandelt, verlieren viele Lepra-Patienten das Gefühl in den Gliedmaßen. Verletzen sie sich dort, haben andere Bakterien in den Wunden leichtes Spiel. So können sich Zweit-Infektionen wie Tetanus ausbreiten, die Hände oder Füße abtöten.

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