Wieder einmal hat die Weltgesundheitsorganisation WHO schlechte Nachrichten. Vier bis sechs Monate werde es wohl noch dauern, bis die Kardinalfrage der lateinamerikanischen Gesundheitskrise beantwortet werden kann: Ist wirklich das Zika-Virus für die zu kleinen Köpfe und die unterentwickelten Gehirne der Babys verantwortlich, die derzeit in Brasilien vermehrt zur Welt kommen? Ein halbes Jahr ist eine lange Zeit. Schließlich ist nahezu ein ganzer Kontinent betroffen. Doch bis diese Frage geklärt ist, können Ärzte und Gesundheitsbehörden den besorgten Menschen weiterhin nur frustrierend wenige Antworten geben und riskieren, Vertrauen einzubüßen. Warum also dauert es so lange?
Marcos Espinal ist im amerikanischen Regionalbüro der WHO für die Aufklärung des Zika-Ausbruchs verantwortlich. Er hofft, dass im Sommer Erkenntnisse über die Situation in Kolumbien vorliegen werden, wo sich der Erreger seit Oktober 2015 verbreitet. Espinal verweist auf den Dreischritt der Ausbrüche 2013 in Französisch-Polynesien und jetzt in Brasilien: Erst kamen die Zika-Infektionen, zirka einen Monat später trat bei mehr Menschen das mit Lähmungen einhergehende Guillain-Barré-Syndrom auf, und etwa weitere acht Monate später häuften sich Schädelfehlbildungen von Neugeborenen.
Dieser Ablauf scheint sich zumindest für das Guillain-Barré-Syndrom gerade zu bestätigen. In Kolumbien, Venezuela, El Salvador und Suriname nimmt die Zahl der Erkrankten zu; der Anstieg begann jeweils wenige Wochen, nachdem die ersten Zika-Infektionen registriert worden waren. Wenn die Vermutungen der Wissenschaftler zutreffen, wird es in Kolumbien bald eine Welle von Mikrozephalie-Fällen geben. "In diesem Fall sollten wir die ersten Mikrozephalie-Fälle im Juni 2016 sehen", sagt Espinal.
In Kolumbien sollen mehr als 5000 Schwangere mit dem Zika-Erreger infiziert sein. Ein Teil von ihnen wurde in Studienkohorten aufgenommen, damit Forscher ihr weiteres Schicksal verfolgen können. Die Epidemiologen hoffen, am Ende sehen zu können, ob es wirklich die infizierten Mütter sind, die Babys mit zu kleinen Köpfen zur Welt bringen. Solche Kohortenstudien dauern lange, "sie liefern aber zuverlässige und weniger störanfällige Ergebnisse als andere Studientypen", sagt Christina Frank vom Robert Koch-Institut.