Kuriose Smartphone-Anwendungen:App-sonderliches für die Gesundheit

Lesezeit: 4 Min.

Linderung im Handy-Umdrehen? Das Telefon soll heute den Arzt, ach was, den Laboranten, den Masseur, sogar den Kammerjäger ersetzen. Gesundheits-Apps, die Sie sich sparen können.

Von Berit Uhlmann

Mit einem Wisch sollen sie weg sein - Rückenschmerzen, Insekten, Sorgen um die körperliche und geistige Fitness. Gesundheits-Apps bieten längst nicht mehr nur Informationen oder Tabellen zum Eintragen diverser Leibeswerte an. Sie sollen das Telefon in ein Labor, Mikroskop oder Massagetool verwandeln. Sechs kuriose Beispiele.

Urintest per Smartphone

Mit dieser Erfindung erlangte ein indischer Unternehmer auf der diesjährigen TED-Konferenz beträchtliche Aufmerksamkeit: Eine App, die Urin analysieren kann. Das klingt abwegiger als es ist. Für die Probe werden wie üblich Teststreifen benutzt, die durch Farbänderungen auffällige Werte im Harn anzeigen. Das Handy fotografiert den Teststreifen, analysiert das Bild und spuckt eine Einschätzung aus, mit welch grässlicher Krankheit man es zu tun haben könnte.

Nutzen: Prinzipiell dürfte das Testen des Urins zuhause und ohne konkreten Verdacht überflüssig sein. Solche Schnelltests liefern auch keine Diagnosen, sondern nur erste Anhaltspunkte etwa auf Diabetes oder Nierenerkrankungen.

Alternative: Urintests sind Standard bei den Check-ups, die der Hausarzt anbietet. Wer trotzdem zuhause seinen Harn testen möchte, kann die Streifen für wenige Cent pro Stück in der Apotheke kaufen. Ob die Software in der Auswertung des Ergebnisses besser ist als das Auge, ist unklar.

Für den Menschen unhörbar, soll das Handy hochfrequente Töne absondern und damit stechende Mückenweibchen in die Flucht schlagen. Gleich mehrere Apps versprechen Ruhe vor Mücken und zum Teil auch anderen Insekten. Chip-Online hat eine der Anwendungen getestet und kommt zum Ergebnis, dass die App das Handy "ohne Zustimmung mit Werbung zumüllt, und zwar gleich an mehreren Stellen gleichzeitig. Vor dem Download wird daher ausdrücklich gewarnt."

Anti-Mücken-Apps sind wirkungslos. (Foto: screenshot)

Nutzen: Die Abwehr von Mücken ist in Malaria-Gebieten von großem Wert. Hierzulande geht von Stechmücken zwar keine Gefahr aus, doch fast jeder würde die Plagegeister wohl gerne auf Abstand halten. So kamen Erfinder schon vor etlichen Jahren auf die Idee, die Mücken mit hochfrequentem Ultraschall abzuschrecken. Spezielle Geräte wurden entwickelt - und längst wissenschaftlich untersucht. Die für ihre strengen Kriterien bekannte Cochrane-Collaboration sprach den Geräten jeglichen Nutzen ab. Auch die Theorie hinter der Technik sei nicht plausibel, schrieben die Forscher: Mückenweibchen hören sehr schlecht. Ob die Töne nun aus einem speziellen Gerät oder dem Smartphone kommen - sie erreichen die Insekten mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht. Stiftung Warentest drückt es so aus: "Wer die Mücken mit dem iPhone erschlägt, hat mehr Erfolg."

Alternativen: Etwas wirkungsvoller sind bestimmte Mückenschutzmittel, bedeckende Kleidung, Mückengaze an Fenstern und Türen sowie Moskitonetze um die Schlafstelle.

Was zwischen den Laken passiert, ist auch für Betroffene von brennendem Interesse. Wer weiß schon, was er in tiefster Nacht so treibt. Der "Sleep Talk Recorder" soll Erleuchtung bringen. Die App startet immer dann eine Aufzeichnung, wenn der Schlafende Geräusche von sich gibt.

Nutzen: Will sich nicht so recht erschließen. Sprechen im Schlaf ist ein harmloses Phänomen, das nicht behandelt und daher auch nicht ernsthaft diagnostiziert werden muss. Im Übrigen dürften die Aufzeichnungen auch eher enttäuschen. Tiefschürfendes aus der Seele oder intellektuell Inspirierendes hört man von Schlafenden fast nie, eher unverständliches Gemurmel und ein paar zusammenhanglose Wortfetzen. Und: Wesentlich verbreiteter als das nächtliche Gebrabbel ist Schnarchen. Anwender sollten sich darauf gefasst machen, stundenlanges Sägen auf ihrem Smartphone zu sammeln.

Alternativen: überflüssig.

Wo Menschen glauben, durch Hand-Auflegen zu gesunden, erscheint auch das Handy-Auflegen nicht ganz so weit hergeholt. Einige Apps geben vor, die Vibrationen des Telefons zu Massagezwecken zu nutzen.

Nutzen: Es gibt Hinweise darauf, dass professionelle Massagen zumindest vorübergehend Anspannungen lösen und Schmerzen lindern. Ob kleine, ruckelnde Geräte auf den Muskeln ebenfalls Wirkungen haben, ist nicht nachgewiesen. Zweifelhaft ist zumindest, dass der Vibrationsalarm der Beruhigung dient.

Alternativen: Selbst wenn es die Vibrationen irgendwie zu veritabler Stärke bringen sollten: Massagen allein genügen nicht, um beispielsweise Rückenschmerzen zu lindern. Wichtig sind auch Bewegung und Kontrolle der Körperhaltung. Physiotherapeuten sind auf dem Weg dahin mit Sicherheit hilfreicher.

Es erinnert an ein Feuerzeug und heißt Breathometer. Partygänger sollen es in die Buchse für die Kopfhörer stecken und hinein pusten. Auf dem Handy-Display erscheint dann ihr Atem-Alkoholwert, versprechen die kalifornischen Entwickler, die Gerät und App in Kürze auf den Markt bringen wollen.

Nutzen: Den Alkoholspiegel zu kontrollieren, bevor man ins Auto steigt, kann zweifelsfrei sinnvoll sein. Das Problem ist nur, dass im angetrunkenen Zustand das Problembewusstsein nicht sehr ausgeprägt ist. Die Puster gelten dann eher als Spaßbremsen. Wie wenig populär solche Alkohol-Tests sind, zeigt das Beispiel Frankreich. Autofahrer wurden verpflichtet, ein Pusteröhrchen mitzuführen, um im Zweifelsfall ihren Alkoholwert zu überprüfen. Doch diese Regelung wird nun - kaum ein Jahr nach ihrer Einführung - wieder gekippt. Lieferschwierigkeiten, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geräte und Unmut über die Preise hatten zu dem Rückzieher geführt. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass das Smartphone der Pusterei mehr Glamour verleihen kann.

Alternativen: Test-Röhrchen sind für einige Euro pro Stück in der Apotheke erhältlich. Ob das Breathometer zuverlässiger ist, hat es noch nicht bewiesen. Wer ganz sicher gehen will, kann sein Auto mit einer Alkohol-Zündschlosssperre ausrüsten. Das Auto kann erst nach bestandenem Alkoholtest gestartet werden. Diese Geräte sind zuverlässig, aber teuer.

Kanadische Forscher haben ein Smartphone mit einer Vergrößerungs-Linse ausgestattet und damit einen Wurm-Detektor erschaffen. Er fotografiert Stuhlproben und fahndet auf den Bildern nach Wurmeiern, die von Parasitenbefall zeugen.

Nutzen: Im Test erkannte die App nur 70 Prozent der Eier. "Nicht wirklich gut", kommentieren die Forscher das Ergebnis. In entwickelten Ländern sind Darmparasiten ohnehin nicht so verbreitet, dass es Routine-Checks für sie geben müsste. Ob die Anwendung einmal die Arbeit von medizinischem Personal in Entwicklungsländern erleichtert, muss sich noch zeigen.

Sinnvoller als sein Handy mit einer Lupe nachzurüsten, erscheint es da, sich sein eigenes Display etwas genauer anzusehen. Bemerkt man dabei ausgeprägte Schlieren, ist dies ein Hinweis auf eine besorgniserregende Entwicklung: Smartphone-Oberflächen, denen man nicht mit Wasserstrahlen oder scharfen Mitteln zu Leibe rücken darf, sind hervorragende Bakterienbrutstätten. Mehrere Studien fanden große Mengen von Keimen auf den Touchscreens. Es darf vermutet werden, dass einige der hier vorgestellten Apps das Problem der Keimbelastung eher noch verschärfen.

Als sinnvolle Gesundheitsanwendung schlagen wir daher vor: ein Reinigungsset für den Touchscreen, regelmäßiges Händewaschen sowie ein Handyverbot auf dem WC und am Esstisch.

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