Süddeutsche Zeitung

Künstliche Befruchtung:Drei-Eltern-Babys fordern das Rechtssystem heraus

Ein US-Arzt hat die Geburt eines Kindes mit drei biologischen Eltern ermöglicht. Sind solche Babys rechtlich auch in Deutschland möglich?

Von Kathrin Zinkant

Der Arzt ließ es darauf ankommen. Er wollte den verzweifelten Eltern helfen. Im Labor stellte er durch künstliche Befruchtung Embryonen her. Daraufhin untersuchte er die Zellhäufchen genetisch. Die kranken sortierte er aus. Die gesunden pflanzte er der Mutter auf ihren Wunsch hin ein. Dann zeigte er sich selbst an.

Es war nicht etwa der gesellschaftliche Konsens nach einer intensiven ethischen Debatte, sondern dieser juristische Fall eines Berliner Arztes, der in Deutschland vor sechs Jahren zur De-facto-Zulassung der Präimplantationsdiagnostik führte - obwohl das Aussondern erbkranker Embryonen nach damaliger Auffassung eigentlich durch das Embryonenschutzgesetz verboten sein sollte. Das Gericht jedoch stellte das Gegenteil fest. Ein Schock, der nicht der letzte seiner Art gewesen sein muss.

Denn ein ähnliches Szenario ist für das Drei-Eltern-Kind denkbar. Ein solches Baby ist im April zur Welt gekommen, ein Mediziner aus den USA hatte die neuartige Methode der künstlichen Befruchtung eingesetzt (hier mehr zu den Hintergründen des Falls). Bei diesem biologischen Mix aus zwei Eizellen und einem Spermium gilt als ausgemacht, dass die extrem strenge Gesetzgebung in Deutschland so etwas untersagt. Tatsächlich aber verbietet der Gesetzestext im Wortlaut die "Veränderung der Keimbahn" , also eine genetische Manipulation des Erbguts von Eizellen, Spermien oder sehr frühen Embryonen. Doch handelt es sich bei dem Drei-Eltern-Mix um eine Veränderung?

Das ist die Frage, um die nun gestritten werden dürfte, wenn es um die fortlaufenden Ausbesserungsarbeiten am 25 Jahre alten Embryonenschutzgesetz geht. Hat ein Kind, weil es fremde Mitochondrien besitzt, also die winzigen Energieorgane einer Zelle, wirklich zwei Mütter und ein "verändertes" Erbgut? Die Briten haben da eine Antwort gefunden. Alle Gene, die prägend für das Aussehen oder die Persönlichkeit sein können, liegen nicht in den Mitochondrien, sondern im Zellkern. Weil diese Gene unverändert bleiben, sprechen sie nicht einmal mehr von Drei-Eltern-Babys. Im Vereinigten Königreich ist die sogenannte Mitochondrien-Ersatztherapie seit eineinhalb Jahren erlaubt, allerdings streng reguliert.

In Deutschland könnte noch um etwas anderes gestritten werden. "Nach meiner Auffassung handelt es sich beim Kerntransfer nicht, wie im Embryonenschutzgesetz formuliert, um eine Veränderung des Erbguts", sagt der Jurist Jochen Taupitz von der Universität Mannheim. Man könne gut begründet zu einem anderen Ergebnis kommen. Es sei nicht einmal sicher, ob man den entnommenen Kern der Eizelle noch als Eizelle betrachten dürfe, die durch das Gesetz geschützt werde.

In den Vereinigten Staaten zumindest ist die Prozedur nicht zugelassen. Deren wissenschaftlicher Vater, Shoukrat Mitalipov von der Oregon State Health University, wirbt indes für eine streng regulierte Erlaubnis. "Wir haben Jahre daran gearbeitet, diese Therapie zu entwickeln, um Kinder vor verheerenden Krankheiten zu bewahren", sagt Mitalipov. Er will die Methode sorgfältig eingesetzt wissen. "Es macht mir Sorgen, dass verzweifelte Familien nun in Ländern Hilfe suchen, in denen es überhaupt keine regulatorische Aufsicht gibt." Das erste Drei-Eltern-Baby kam in Mexiko zur Welt. In Expertenkreisen war am Mittwoch zu vernehmen, dass schon zwei weitere Drei-Eltern-Babys unterwegs sind. Sie werden wohl in der Ukraine geboren.

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SZ vom 29.09.2016
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