Krise des griechischen Gesundheitssystems:Blutleere in Hellas

Blutspende

45 Prozent des Spenderbluts stammen schon jetzt aus dem Bekanntenkreis der Patienten.

(Foto: dpa)

Die Schweiz ist Griechenlands einziger Lieferant von Spenderblut - und reduziert seine Exporte wegen nicht beglichener Rechnungen. Viele griechische Patienten müssen sich nun selbst Blut besorgen.

Von Christiane Schlötzer

Es war ein Notruf über Radio Kreta: "Blutspender gesucht, Blutgruppe egal." So wie auf der Mittelmeerinsel fehlt es vielen griechischen Krankenhäusern inzwischen am Allernötigsten. Auch an Blut. Nun dürfte sich die Lage zusätzlich verschlimmern. Der Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) hat entschieden, seine Lieferungen nach Griechenland deutlich zu reduzieren - wegen nicht rechtzeitig beglichener Rechnungen. Das SRK ist derzeit der einzige europäische Lieferant von Spenderblut in Griechenland.

Zwar seien die Schulden in Höhe von mehreren Millionen Franken inzwischen beglichen, zitierte die Schweizer Zeitung Tages-Anzeiger am Montag den Chef des SRK-Blutspendedienstes, Rudolf Schwabe. Das Rote Kreuz wolle sein Risiko aber minimieren und daher die Zusammenarbeit mit Griechenland einschränken.

Der Schweizer Liefervertrag geht auf die 1970er-Jahre zurück, begründet wurde er einst humanitär, mit der hohen Zahl von Thalassämie-Kranken in Griechenland. Diese ererbte Mittelmeeranämie hemmt die Bildung roter Blutkörperchen, Patienten brauchen alle drei bis vier Wochen Transfusionen. 30.000 Blutbeutel zu 230 bis 300 Milliliter lieferte das SRK hierzu jährlich. Doch reichten diese nicht einmal für die Thalassämie-Kranken. Werden die Mengen reduziert, wie nun vom SRK beschlossen, steht Griechenland vor einem neuen Problem. Engpässe gab es allerdings auch schon vor der jetzigen Finanzkrise.

Krankenhäuser hatten auch früher keine großen Blutvorräte, nun sind sie weiter geschrumpft. Wer in Griechenland eine Operation braucht, bringt sein Blut am besten selbst mit. "Erhält ein Patient Blut aus der Reserve, muss er nachher Spender aus dem Freundes- oder Familienkreis finden, um das Reserveblut wieder zu ersetzen", sagt Konstantin Stamoulis, der wissenschaftliche Direktor des nationalen griechischen Blutspendedienstes EKEA in Athen.

Die Zustände sind, wie Beteiligte berichten, teilweise schon jetzt chaotisch. Eine Athener Lehrerin, Maria M., erzählt, sie sei "von Freunden bereits mindestens 30-mal gefragt worden, ob ich für sie Blut spenden kann". Zweimal, so die junge Frau, habe sie das auch getan. Stamoulis sagt, 45 Prozent des gespendeten Blutes in Griechenland stamme schon jetzt "aus dem Freundes- und Familienkreis". 50 Prozent aus anderen freiwilligen Spenden, und fünf Prozent von Armeeangehörigen.

Blutspenden werden nicht zentral registriert

Der Blutspendedienst des SRK muss nicht gewinnorientiert arbeiten. Die Einnahmen sollen nur den Aufwand für Logistik und Labore decken. An Pharmafirmen oder eben an Griechenland verkauft wird, was das SRK nicht für den Eigenbedarf benötigt und nicht länger lagerfähig ist. Die Einnahmen aus dem Griechenland-Geschäft machten bislang nur etwa 2,5 Prozent des Gesamtumsatzes des SRK aus, rechnet der Tages-Anzeiger vor.

Im Athener Gesundheitsministerium heißt es, die Schweizer hätten angekündigt, die Lieferungen auf die Hälfte zu reduzieren, dies aber "allmählich" zu tun, damit Griechenland sich an die neue Lage anpassen könne. Dabei werde man Athen auch helfen, heißt es wiederum in Bern. Allerdings sind die Pläne dazu noch wenig konkret. Womöglich sollen die Griechen ein Fahrzeug für ihren Blutspendedienst erhalten.

In Griechenland werden Blutspenden bislang nicht zentral registriert. Eine entsprechende Internetplattform würde das Ministerium in Athen nun gern schaffen. Wenn in einem Krankenhaus in Kreta eine bestimmte Blutgruppe gebraucht wird, wissen die Ärzte nicht, ob das entsprechende Blut vielleicht von Freiwilligen in einem anderen Teil Griechenlands gerade gespendet wurde. Das SRK in Bern argumentiert, Griechenland werde mit einer Verbesserung der eigenen Versorgung langfristig "unabhängiger".

Der griechische Gesundheitssektor gilt generell als schlecht organisiert und ist in besonderem Maß mitverantwortlich für das hohe Staatsdefizit. Radikale Reformen sind geplant, jedes vierte Krankenhaus soll schließen, so der Plan von Gesundheitsminister Andreas Lykourentzos.

Ob die Versorgung der Bevölkerung damit besser wird, ist fraglich. Immer mehr Bürger sind wegen der Krise bereits nicht mehr krankenversichert. Blut spenden, so sagt die Athener Lehrerin, dürfe man nur zweimal im Jahr. Sie will jetzt für sich selbst spenden, und das Blut aufheben, "damit ich etwas habe, wenn ich es einmal brauchen sollte".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: