MeinungKongo:„Krankheit X“ war ein Warnschuss

Kommentar von Berit Uhlmann

Lesezeit: 2 Min.

Ein wesentlicher Teil des Infektionsgeschehens in der Demokratischen Republik Kongo war auf Malaria zurückzuführen. Die Krankheit grassiert im Land seit Jahren, das Bild stammt von 2021. (Foto: Arsene Mpiana/AFP)

Nachdem klar ist, dass sich im Kongo keine neue Seuche zusammenbraut, wendet die Welt die Augen routiniert wieder ab. Das ist empörend – und kurzsichtig.

Kongo, war da was? Vermutlich ist es vielen Menschen schon wieder entfallen, dass die Weltöffentlichkeit im Dezember von Meldungen über eine „mysteriöse Krankheit X“ im Südwesten des Landes aufgeschreckt wurde. Zum Jahresende stellte sich dann heraus, dass das Geschehen dort weder mysteriös noch eine einzige Krankheit ist. Die Menschen leiden vielmehr unter einer besonders heftigen Welle altbekannter Leiden. Malaria und diverse Atemwegserkrankungen wurden identifiziert, dazu Mangelernährung, die die Lage noch verschlimmert.

Es ist selbstredend eine gute Nachricht, dass sich in der Demokratischen Republik Kongo keine neue Seuche zusammengebraut hat, gegen die es im schlimmsten Fall weder Immunität noch die Möglichkeit einer medizinischen Abhilfe gegeben hätte, und die womöglich größere Teile der Welt schon wieder bis ins Mark erschüttert hätte. Doch die Kehrseite ist: Nun, da sich offenbart, dass in dem abgelegenen Teil des afrikanischen Landes bloß das Übliche grassiert, wird die öffentliche Aufmerksamkeit für die Region wieder gen null sinken. Die Menschen dort werden weiter leiden, weiter sterben, und es wird weiter hingenommen werden.

Bekannte Erreger
:WHO: Wohl doch keine mysteriöse „Krankheit X“ im Kongo

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation handelt es sich bei den Beschwerden um eine Mischung aus Malaria und verschiedenen Atemwegserkrankungen. Eine Ursache der Krankheitswelle in der betroffenen Region dürfte auch Unterernährung sein.

Das beste Beispiel für diese Ignoranz liefert Mpox. Die vormals Affenpocken genannte Krankheit grassiert im Kongo seit mehr als 50 Jahren. Von dort aus breitet sie sich immer wieder auf andere Länder aus. Ein Teil der Erreger hat sich mittlerweile verändert, sodass schwerere Erkrankungen leichter übertragen werden. Zweimal schon wurde der internationale Notfall wegen der Erkrankung ausgerufen. Zuletzt wurde der Alarmknopf im August 2024 gedrückt. Auch das mag schon wieder in Vergessenheit geraten sein, aber der Notstand ist noch immer in Kraft.

Die Welt ist zurück beim bedauernden „Tja“

Geändert hat das alles wenig. „Wir haben die Lage noch immer nicht unter Kontrolle“, räumte die für den Kontinent zuständige Gesundheitsbehörde Africa CDC erst vor Kurzem ein. Im Kongo ist die Zahl der Verdachtsfälle im Herbst sogar wieder angestiegen. Etwa 2000 werden pro Woche registriert. Wie viele davon echte Infektionen sind, ist kaum seriös zu sagen. In dem Land können nur 20 Prozent der Verdachtsmeldungen durch Tests abgeklärt werden, weil der Aufbau der Diagnosekapazitäten zögerlich vorangeht.

Auch Impfungen erfolgen nur langsam. Die Africa CDC hatte die Welt um zehn Millionen Impfstoffdosen für den Kontinent gebeten.  Zugesagt wurde bisher nur etwa die Hälfte. Wie viele Dosen bislang ausgeliefert worden sind, ist unklar, im Oktober waren es weniger als 300 000. Dabei wäre mehr Engagement möglich. Reiche Staaten sitzen nach einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters auf Vorräten von mehreren Hundert Millionen Impfdosen.

Doch in der Politik und der breiten Öffentlichkeit ist all das kein großes Thema. Ebenso wenig wird darüber diskutiert, dass ein Pandemievertrag, der alle Länder in die Lage versetzt und verpflichtet hätte, Infektionskrankheiten gründlich zu überwachen, krachend gescheitert und mittlerweile in weite Ferne gerückt ist.

Die Welt ist fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie wieder zurück beim bedauernden „Tja“. All das Leid, all der Mangel wird erneut mit routinierter Geste abgeschüttelt und weggeschoben. Als das Übliche, das halt leider vorkommt auf dieser Welt.

Nur wird dabei schon wieder übersehen: Das Übliche ist eine Welt, in der es neuen Seuchen immer leichter gemacht wird, zu entstehen und sich über den Erdball zu verbreiten. Das Übliche ist eine Welt, die noch immer schmachvoll schlecht auf diese Gefahr vorbereitet ist. Das vermeintliche Auftauchen einer neuen „Krankheit X“ war ein weiterer Warnschuss. Beim nächsten Mal könnte es schlimmer kommen.

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