Süddeutsche Zeitung

Krankenkassenreport:Immer mehr Pflegekosten bleiben an Familien hängen

Noch nie seit Einführung der Pflegeversicherung mussten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen so viel zahlen. Denn die Kosten für Pflegeleistungen und Heime steigen, nicht aber die Zuschüsse der Kassen.

Von Nina von Hardenberg

Noch nie waren in Deutschland so viele Menschen pflegebedürftig wie heute. Und noch nie seit Einführung der Pflegeversicherung mussten sie und ihre Angehörigen so viel für ihre Pflege zahlen. Insgesamt 2,5 Millionen Menschen in Deutschland waren 2011 auf Pflege angewiesen, heißt es in einem Bericht der Barmer GEK Krankenkasse, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Das sind mehr denn je - und doch noch lange nicht so viele, wie es in den kommenden Jahren sein werden. Bis 2050 wird sich ihre Zahl auf 4,5 Millionen Menschen erhöhen.

Wer zahlt für die Pflege dieser Menschen? Laut Bericht sind das zunehmend die Kranken und ihre Angehörigen selbst. Die Pflegeversicherung - einst eingeführt, damit Pflegebedürftigkeit im Alter nicht direkt in die Armut führt - deckt nur einen immer kleineren Teil der Ausgaben. Die Sätze wurden seit Einführung der Pflegeversicherung kaum angepasst, und so bleiben die steigenden Heimkosten ganz an den alten Menschen hängen.

2011 zahlte ein nur leicht gebrechlicher Bewohner mit Pflegestufe I im Schnitt gut 2400 Euro für seinen Heimplatz - wobei die Kosten je nach Lage und Ausstattung auch erheblich darüber liegen können. Das Heim war für ihn damit gut 340 Euro teurer als noch 1999. Die Kassen aber schießen damals wie heute nur genau 1023 Euro zu. Dieser Betrag hat sich seit Einführung der Pflegeversicherung nie geändert. "Die Politik muss einen automatischen Mechanismus zur Anpassung der Pflegesätze einführen", forderte deshalb der Autor der Studie, der Bremer Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang.

Doch Politiker verschiedener Regierungen setzten zuletzt andere Prioritäten. Da kaum ein Mensch im Alter in ein Heim umziehen möchte, stärkten sie vor allem die Pflege zu Hause. Menschen sollen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können, lautete das Versprechen der Politik. Und so wurden zuletzt vor allem die ambulanten Dienste gestärkt, die Menschen zu Hause betreuen. Pflegebedürftige dürfen mehr als früher für sie ausgeben, und sie nutzen das Angebot. Die Branche wächst besonders schnell. 2013 betreuten ambulante Dienste laut Bericht bereits 23 Prozent der pflegebedürftigen Menschen - so viel wie nie zuvor.

Die Heimpflege dagegen ist in der Bevölkerung und auch bei Politikern weniger beliebt. Das ändert allerdings nichts daran, dass viele Menschen am Ende des Lebens nach wie vor in ein Heim umziehen. Etwa ein Drittel der Pflegebedürftigen wohnen in Heimen. Und da es immer mehr alte Menschen in Deutschland gibt, wächst auch dieser Markt beträchtlich. In nur zwölf Jahren stieg die Zahl der Heime um 40 Prozent - auf zuletzt 12.354. Auch das Angebot an Heimplätzen wuchs von knapp 650.000 im Jahr 1999 auf mehr als 875.000 im Jahr 2011. Immer mehr der Bewohner aber können die Kosten der Heimpflege nicht mehr bezahlen.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2013/beu
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