Krankenkassen-Report:Lukrativer Schnitt am Herzen

In deutschen Krankenhäusern wird vermehrt an Herzkranzgefäßen operiert. Besonders der Einsatz beschichteter Stents boomt - dabei ist die Methode umstritten. Möglicherweise überwiegt ein anderes Interesse der Kliniken.

  • Die Zahl der Eingriffe an Herzkranzgefäßen ist auf 330 000 pro Jahr geklettert.
  • Vor allem beschichtete Stents, die verengte Gefäße wieder öffnen sollen, werden immer öfter eingesetzt.
  • Die Stents sind umstritten, weil jeder fünfte Patient schon nach weniger als einem Jahr einen zweiten Eingriff benötigt.
  • Die Kassen werfen den Kliniken vor, zu häufig zu operieren, um ihren Umsatz zu erhöhen.

In Deutschland steigt die Zahl der Eingriffe an Herzkranzgefäßen. Im vergangenen Jahr unterzogen sich Patienten in mehr als 330 000 Fällen im Krankenhaus einem solchen Eingriff oder einer Bypass-Operation, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Krankenhausreport der Krankenkasse Barmer GEK hervorgeht (hier geht es zur Originalpublikation).

Obwohl in den vergangenen Jahren tendenziell weniger Menschen wegen Erkrankungen der Herzkranzgefäße im Krankenhaus waren, wurden bestimmte Eingriffe deutlich öfter vorgenommen. Einen Boom verzeichnet der Report vor allem bei Stents, mit Medikamenten beschichteten Gefäßstützen. Mit Hilfe der röhrenförmigen Gitterstützen aus Metall sollen verengte Herzkranzgefäße wieder geöffnet werden.

Mehr Patienten als früher bekommen Stents

Die Zahl der Eingriffe mit solchen beschichteten Stents stieg seit 2005 demnach demografiebereinigt um 227 Prozent. Im Gegenzug sanken die Eingriffe mit unbeschichteten Gefäßstützen sowie die Zahl der Bypass-Operationen am offenen Herzen deutlich. Der Report führt den Anstieg der Operationen zum Teil darauf zurück, dass heute auch Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) behandelt werden, die früher aufgrund ihres Alters oder weiterer Erkrankungen gar nicht für eine Behandlung in Frage kamen. Zudem würden auch zunehmend Menschen mit anderen Herzerkrankungen behandelt.

Der stellvertretende Barmer-GEK-Chef Rolf-Ulrich Schlenker hält es allerdings für fraglich, "ob sich dieser Zuwachs ausschließlich medizinisch begründen lässt oder der Preis die Menge der Eingriffe beeinflusst". Die Kassen werfen den Krankenhäusern seit längerem vor, sie würden vor allem jene Operationen vornehmen, die sich finanziell lohnen. Besonders die beschichteten Stents sind nicht unumstritten. Diese werden über einen Herzkatheter minimalinvasiv implantiert. Von den Patienten, die einen solchen DES (Drug Eluting Stent) eingesetzt bekamen, musste jeder fünfte schon im ersten Jahr einen zweiten Eingriff über sich ergehen lassen. Bei Bypass-OPs war ein zweiter Eingriff innerhalb eines Jahres nur in 3,1 Prozent der Fälle nötig. Dafür ist die Überlebensrate nach einer DES-Implantation insgesamt etwas besser als nach einer Bypass-OP.

Der Verdacht der Kassen: Mehr OPs sollen den Umsatz der Kliniken steigern

Die Experten wiesen darauf hin, dass insgesamt weniger Menschen an zu hohem Blutdruck oder zu hohen Blutfettwerten litten. Diese Leiden ließen sich auch zunehmend anders als mit einer OP oder einem Stent-Implantat behandeln, etwa mit Medikamenten, mehr Sport oder Physiotherapie. Deshalb seien Zweifel angebracht, ob viele der Gefäß-Operationen überhaupt notwendig seien. Der Verdacht der Kassen: Kliniken setzten Stents hunderttausendfach auch deshalb ein, um ihre Umsätze zu steigern. Die Implantate selbst seien im Einkauf günstiger geworden, so Schlenker.

Wie aus dem Krankenhausreport weiter hervorgeht, bleiben die Patienten immer kürzere Zeit im Krankenhaus. Die durchschnittliche Verweildauer sinkt seit Jahren und lag 2013 bei durchschnittlich 7,6 Krankenhaustagen je Fall. Lediglich bei den psychischen Störungen stieg die Verweildauer seit 2005 auf jetzt durchschnittlich 32,2 Tage.

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