Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Her mit den Daten!

Ob ein Patient mit oder wegen Corona im Krankenhaus ist, lässt sich in Deutschland wegen mangelnder Datenerfassung immer noch nicht sauber beantworten. Dabei ist die Frage so wichtig wie nie.

Kommentar von Christina Berndt

Das Virus hat die Krankenhäuser erreicht. Immer mehr Patienten spült die gigantische Omikron-Welle derzeit in die Kliniken. Und schon hört man sie wieder, die skeptische Frage: Liegen diese Menschen dort überhaupt wegen Covid-19 oder nur mit? Haben viele nicht nur zufällig die Infektion, die ihnen gar nichts ausmacht?

Früher war das vornehmlich Raunen. Aber tatsächlich ist die Frage jetzt hochrelevant. Und umso ärgerlicher ist es, dass man sie wegen der krankhaften Datenuntererfassung in diesem Land nicht sauber beantworten kann. Denn die Zahl der Menschen, die nur mit und nicht wegen Covid-19 im Krankenhaus liegen, dürfte gerade so groß sein wie nie zuvor. Schließlich führt Omikron zu etwas milderen Infektionen als frühere Virusvarianten, und noch dazu sind viele Menschen durch Impfen und Boostern gut geschützt. Deshalb sind die bloßen Infektionszahlen auch nicht mehr so bedrohlich wie in früheren Wellen.

Was aber weiterhin bedrohlich ist, ist eine schwierige Lage in den Krankenhäusern. Wenn immer noch viele - und für die Kliniken schlichtweg zu viele - Patienten behandlungsbedürftig erkranken, dann muss umso mehr gegen die Welle getan werden. Aber um frühzeitig gegensteuern zu können, bräuchte man eben: die Daten.

Patienten, die mit oder wegen Corona in der Klinik liegen, lassen sich unterscheiden

Es ist schon richtig: Infizierte Patienten sind für ein Krankenhaus immer ein Problem, selbst wenn sie keinerlei Covid-Symptome haben. Die Behandlung ist wegen der nötigen Isolation ungleich aufwendiger als bei Patienten ohne Virus. Mitunter entwickelt sich ein mit auch erst in der Klinik zu einem wegen, weil die Infektion an Dramatik zunimmt. Und richtig ist auch: Auf Intensivstationen ist mit und wegen obsolet. Ein Schwerstkranker, der mit Sars-CoV-2 infiziert ist, hat immer eine ungünstige Prognose - auch wenn er wegen eines Herzinfarkts oder Autounfalls in die Klinik gekommen ist.

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Und doch ist die Unterscheidung wichtig und machbar. Das macht wieder einmal der Datenprimus England vor: Dort zeigt die Statistik, dass der Anteil der Patienten, die wegen Covid-19 behandelt werden, unter allen infizierten Patienten in der Omikron-Welle nur noch bei 60 Prozent liegt, im Sommer waren es 80 Prozent. Man sieht aber auch: Die absolute Zahl der Wegen-Patienten steigt durch Omikron trotzdem, allein in der ersten Januarwoche hat sie sich von 4300 auf 8200 fast verdoppelt. Auch die deutschen Statistiken müssten solche Zahlen transparent ausweisen. Sie wären nicht nur ein effektiveres Warnsystem. Sie könnten noch etwas unmissverständlich zeigen: Dass es auch bei Omikron vor allem die Ungeimpften und am wenigsten die Geboosterten sind, die schwer erkranken. Covid-19 ist eine schlimme Seuche. Aber die chronische Datenuntererfassung im Land ist eine echte Pest.

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