Kampf gegen Ebola:Das neue Sicherheitsprotokoll ist nur schwer zu vermitteln

Aufgrund des hohen Infektionsrisikos bei traditionellen Beerdigungsriten werden Begräbnisse von Ebola-Opfern von geschulten Spezialteams durchgeführt. Bei diesen "sicheren und respektvollen Bestattungen" wird auf gefährliche Rituale wie das Waschen, Berühren oder Küssen der Toten verzichtet. Die aber sind ein kulturell wichtiger Bestandteil, darum ist das neue Sicherheitsprotokoll den Menschen nur schwer zu vermitteln. Aufgrund des Widerstandes hat das Rote Kreuz sein Vorgehen angepasst: Familienmitglieder werden inzwischen in den Prozess mit eingebunden. "Dann können die Angehörigen sich selber davon überzeugen, dass wir keine leeren Särge transportieren oder die Leichen verstümmelt sind", so Erlach.

Für die Aufklärungsarbeit gehen Hunderte Freiwillige von Haus zu Haus, nutzen aber auch andere Medien und Kanäle, um möglichst viele Menschen zu erreichen: Filmvorführungen in Dörfern, interaktive Radiosendungen, in denen Zuhörer Fragen an Experten stellen, Workshops mit Gemeindevorstehern, religiösen Führern und Jugendgruppen sowie Whatsapp-Gruppen. "Die Kernaussage ist: Ebola gibt es wirklich und Ebola kann geheilt werden." Laut Erlach zeigt die Sensibilisierung Erfolge. "Wir sehen, dass es in Beni schon viel weniger Widerstand gibt."

Viele Kinder und Frauen haben sich ausgerechnet in Krankenstationen infiziert

Unter Anleitung des sogenannten Überwachungskomitees des kongolesischen Gesundheitsministeriums werden bezahlte Freiwillige von Tür zu Tür auf die Suche geschickt, um alle Infizierten und deren Kontakte zu finden. Wird eine Person mit Ansteckungsrisiko identifiziert, wird der Fall im Labor getestet und dann eine Impfung angeboten. Nach der Impfung muss der Betroffene 21 Tage - die maximale Inkubationszeit des Virus - beobachtet werden. "Es dauert bis zu zehn Tage, Immunität aufzubauen, nachdem jemand geimpft ist. Also müssen wir schnell sein", sagt Guido Cornale, Unicef-Chefkoordinator in Beni.

Laut Cornale ist es harte Arbeit und extrem kompliziert, die richtigen Leute zu identifizieren. "Stellen Sie sich vor, ein Ebola-Tod ereignet sich in einer Gemeinschaft," sagt er. "Wir müssen zunächst alle Personen identifizieren, die an der Beerdigung teilgenommen haben. Dann wiederum müssen wir all jene finden, die mit ihnen in Kontakt standen. Das summiert sich. Vor allem, wenn sie dann auch noch herumreisen." Die Überwachungs- und Impfungsteams arbeiten weiterhin daran, die Suche nach Fallkontakten und potenziellen Lücken zur Bewältigung der Herausforderung zu verbessern.

Immer wieder gibt es neue Komplikationen, bei denen die Detektivarbeit der Kontaktsucher gebraucht wird. Beispielsweise stellten sprunghaft ansteigende Fallzahlen infizierter Kinder - einer Gruppe, die eigentlich noch nie besonders anfällig für das Virus war - die Epidemiologen der Nothilfe vor ein Rätsel. Die Anzahl der betroffenen Frauen und Kinder ist viel höher als bei früheren Epidemien, so Cornale. Das Phänomen war besorgniserregend, weil der Grund lange im Dunklen blieb und sowohl Kommunikationsarbeit als auch Nachverfolgung vieler Fälle unmöglich machte. Schließlich fanden Cornale und sein Team die Antwort: Die meisten Frauen und Kinder hatten sich in medizinischen Einrichtungen infiziert. Fast alle Betroffenen hatten Krankenstationen besucht, in denen Pfleger eine Kombination aus traditioneller und moderner Medizin praktizieren und sich nicht an Hygienemaßnahmen halten. "Sie verwenden keine Handschuhe, sie haben keine Handwaschstationen. Oft benutzen mehrere Patienten dasselbe Bettlaken, dieselbe Nadel", so Cornale.

Die politische Stimmung ist aufgeheizt

Aufgrund der Sicherheitslage in der Region ist es für die Regierung schwierig, diese informellen Gesundheitseinrichtungen zu überwachen. Daher arbeiten Nothelfer daran, jeden einzelnen der privaten medizinischen Behandler zu kartieren. "Die Idee ist, ein leistungsorientiertes Finanzsystem einzurichten," so Cornale. "Wenn die privaten Mediziner unsere Hygieneanforderungen erfüllen, zahlen wir ihnen einen Bonus. Der neue Ansatz gibt uns wirklich die Hoffnung, dass wir die Epidemie schnell beenden können."

Selbst wenn Mitarbeiter von Hilfsorganisationen schon viel dafür getan haben, um die weitere Verbreitung des Ebola-Virus zu stoppen, müssen sie jetzt schnell sein. Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember, stehen die seit Jahren von Präsident Joseph Kabila verschleppten Neuwahlen an. Obwohl er selbst kein drittes Mal kandidieren wird, ist die politische Stimmung aufgeheizt. Die zerstrittene Opposition befürchtet, dass der Präsident seinen auserkorenen Nachfolger um jeden Preis durchdrücken wird - Anti-Kabila-Proteste werden jetzt schon blutig niedergeschlagen. Lokale Zeitungen sind voll von grellen Artikeln, die das Aufflammen erneuter Gewalt in der Region illustrieren.

Die UN und weitere internationale Hilfsorganisationen sorgen sich wegen der möglichen Auswirkungen der Wahlen auf Bevölkerungsbewegungen, nicht nur innerhalb des Kongo, sondern auch grenzübergreifend. Das Flüchtlingskomitee der Vereinten Nationen hat bereits Zehntausende Menschen gemeldet, die nach Uganda geflohen sind. Dort haben darum jetzt auch erste Impfungen begonnen.

Die Recherche für diesen Artikel wurde vom European Journalism Centre/ Global Health Journalism Grant Programm für Deutschland unterstützt.

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