Die WHO und die Ethikkommission der kongolesischen Regierung genehmigten das noch nicht zugelassene Vakzin für den "compassionate use", also die vor der Zulassung geduldete Anwendung aus humanitären Erwägungen. Durch eine Ringimpfung aller Menschen, die mit infizierten Patienten in Kontakt geraten sind, hoffen die Helfer, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Der Impfstoff wurde schon bei einem früheren Ausbruch im Frühjahr in der Provinz Équateur erfolgreich eingesetzt.
Die Akzeptanz der Impfung ist hoch. "Das einzige Problem ist, dass das Serum nicht für jeden verfügbar ist," sagt Steward Mohindo, der gemeinsam mit anderen Studenten aus Beni die Nothilfe unterstützt, "sondern nur für die Kontakte der Kontakte von Infizierten." Er geht in die einzelnen Haushalte, um die Bevölkerung über das Vakzin aufzuklären. Der junge Mann ist selbst auch nicht geimpft worden, hat aber keine Befürchtung, sich mit dem Virus zu infizieren: "Wir folgen strikt dem Protokoll, so haben wir beispielsweise das Händeschütteln zur Begrüßung ausgesetzt."
Das Ebola-Epizentrum liegt neben dem Virunga-Nationalpark, der Heimat bedrohter Gorillas
Carl Theunis, Kommunikationsbeauftragter von Ärzte ohne Grenzen (MSF), betont, dass der Erfolg des neuen Ebola-Impfstoffs entscheidend davon abhängt, ob diejenigen gefunden werden, die geimpft werden müssen. "Wir versuchen, eine vollständige Liste zu entwickeln, aber es ist eine enorme Herausforderung, da wir die betroffenen Gemeinden oft nicht einmal erreichen können."
Das dicht besiedelte Gebiet des Ebola-Epizentrums liegt nur einen Steinwurf vom Virunga-Nationalpark entfernt, der Heimat bedrohter Gorillas. Zwischen den grünen Bergketten der Virunga-Vulkane im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo führen über hundert Milizen, allen voran die berüchtigten Allied Democratic Forces (ADF) und verschiedene Mayi-Mayi genannte örtliche Rebellengruppen, seit Jahrzehnten einen brutalen Krieg. Sie kämpfen um die Kontrolle über die gewaltigen Rohstoffvorkommen der Region wie: Holz, Coltan, Gold, Kobalt und Kupfer.
Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt. Das stellt die Nothilfe vor ein großes Problem: "Die Gefahr ist hoch, dass sich unter den Flüchtlingen infizierte Menschen befinden," sagt Yves Willemot, Repräsentant der Kinderhilfsorganisation Unicef in Goma. Unicef schätzt das Risiko, dass sich die Krankheit in die Nachbarländer ausbreitet, inzwischen als "sehr hoch" ein. Das Personal an den Grenzen ist mit Thermometern ausgerüstet und dazu ausgebildet worden, erste Anzeichen von Ebola zu erkennen.
Die am stärksten von Ebola betroffenen Regionen rund um Beni mit 200 000 und Butembo mit vier Millionen Einwohnern sind außerdem boomende Handelszentren. Sie liegen an den wichtigsten Verkehrsrouten der Region und sind zudem Knotenpunkte illegaler Handelsrouten für Holz und Diamanten, die durch Uganda und Kenia bis nach Hongkong, Indonesien und Europa reichen. Bisher wurden mehr als 14 Millionen Reisende untersucht.
In der Krisenregion kommen auch neue Ebola-Medikamente zum Einsatz.
(Foto: Reuters)Jean Bierra, ein 80-Jähriger mit einem leuchtend roten Cowboyhut, der mit großer Verspätung mit dem Minibus aus Butembo in Goma ankommt, ist einer von ihnen. "Wir wurden sicher zehn Mal auf dem Weg angehalten," sagt er. "Sie haben unsere Temperatur gemessen, wir mussten uns die Hände waschen. So eine Zeitverschwendung. Ebola ist doch bloß eine Erfindung." Wie Bierra glauben viele Menschen, dass Ebola nicht existiert und nur eine raffinierte Intrige der Regierung ist. Niemand kann sich vorstellen, dass der ganze Aufwand der internationalen Hilfe nur wegen einer mysteriösen Infektionskrankheit betrieben wird.
Das Vertrauen in die Regierung ist wegen jahrelanger Menschenrechtsverletzungen und Misswirtschaft extrem gering. Viel Kommunikationsarbeit sei gefragt, sagt Eva Erlach, Beauftragte für Community Engagement des Internationalen Roten Kreuzes. Die Organisation sammelt in einem Feedback-Verfahren laufend Gerüchte über Ebola und passt ihre Interventionen entsprechend an. "Die Bevölkerung ist durch den Konflikt traumatisiert und der Regierung gegenüber äußerst skeptisch. Sie fragen sich, warum Ebola mit allen Mitteln bekämpft wird - aber nicht die Milizen", sagt Erlach.
Erst vor Kurzem wurde ein Krankenwagen des Roten Kreuzes angegriffen, weil eine aufgebrachte Menschenmenge nachsehen wollte, ob im Sarg tatsächlich eine Leiche oder doch nur ein paar Steine lagen. "Eines der hartnäckigsten Gerüchte ist, dass Menschen infiziert und getötet würden, um ihnen dann die Organe zu stehlen und zu verkaufen," erklärt Erlach die Tatsache, dass die Menschen so große Angst vor den professionellen Bestattungen der Helfer haben.