Süddeutsche Zeitung

Nahrungsmittel:Warum Ernährungsstudien oft sinnlos sind

Viele Ernährungsstudien sind zwar fachlich sauber. Aber was nützt das, wenn die Forscher bei Lebensmitteln stets die falschen Fragen untersuchen?

Kommentar von Kathrin Zinkant

Die Butter, zum Beispiel, hat auch so einiges durchgemacht: Erst wurde sie bergeweise verzehrt. Dann verteufelt. Zuletzt wieder rehabilitiert. Und jetzt? Soll selbst der "moderate Butterkonsum" falsch sein. Weil er eben doch das Cholesterin erhöht, im Gegensatz zu Olivenöl. So berichten es Ernährungsforscher im American Journal of Clinical Nutrition. Nun kennt der Butterfreund dieses Hin und Her und lässt sich wegen einer Studie bestimmt nicht wieder die Butter vom Brot nehmen. Trotzdem ist die Sache interessant. Denn bezahlt wurde die "Butter ist schlecht"-Studie von der Dänischen Milchwirtschaft. Also von der Butterindustrie.

Zwei mögliche Erklärungen. Die einfache: Irgendwas ist schiefgelaufen. Gewiss sollten die Forscher zeigen, dass Butter mindestens genau so gesund ist wie Olivenöl. Wahrscheinlicher ist aber wohl die kompliziertere Version, dass industriefinanzierte Forschung nämlich nicht zwingend die Ergebnisse verfälscht. Es kommt heraus, was heraus kommt - so lange sich die Geldgeber in den wissenschaftlichen Prozess nicht einmischen. Tatsächlich gibt es weitere Beispiele. So haben die amerikanischen Pistazienbauern eine Arbeit gesponsert, die zeigte, dass Pistazien nachgerade schädlich für Sportler sind. Das haben die Produzenten der Steinfrucht sicher nicht so gerne gehört. Aber was bedeutet das? Dass man die Erforschung des Essens getrost in die Hände von Big Food legen kann?

Fast immer geht es um winzige Wirkungen einzelner Nährstoffe auf Zellen oder Blutparameter

Auf gar keinen Fall. Erstens bleibt völlig unklar, in welchen seltenen Fällen die oft undurchsichtige Kooperation zwischen Lebensmittelindustrie und Wissenschaft Vertrauen verdient. Das hat auch der Fall Coca-Cola in dieser Woche gezeigt. Der Konzern sponsert Wissenschaftler, die einen direkten Zusammenhang zwischen zuckerhaltigen Limonaden und Übergewicht verneinen. Der aber gilt längst als belegt.

Zweitens und noch wichtiger aber ist, dass Ernährungsforschung, wie sie bis heute betrieben wird, ohnehin wenig sinnvoll ist. Fast immer geht es um winzige Wirkungen einzelner Lebensmittel oder Nährstoffe auf Zellen oder Blutparameter, die sich zwar messen lassen, aber keine konkreten Rückschlüsse wie Blaue Beeren schützen vor Krebs, Schokolade verhindert Schlaganfälle, Butter ist schlecht fürs Herz, erlauben. Diese sind fast immer grober Unfug. Und wer das bezahlt, spielt eigentlich schon keine Rolle mehr. Was aber eine Rolle spielt, sind die längst sichtbaren negativen Folgen des westlich-industriellen Ernährungsstils insgesamt- mit all den kalorienstrotzenden Getränken, dem Fast Food, den Fertigwaren. Und die Frage, die hier tatsächlich erforschenswert erscheint, lautet: Wie werden wir diesen Müll möglichst schnell wieder los?

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Quelle:
SZ vom 14.08.2015
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