Kokosöl:Weder Gift noch Superfood

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Von den einen geliebt, von den anderen verteufelt: Das Öl der Kokosnuss. (Foto: thePuppalas@gmail; Srinayan Puppala / CC by SA)

Es ist absurd, wenn Kokosöl als Allheilmittel angepriesen wird. Genauso unsinnig ist es jedoch, wenn Experten es verteufeln.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Kurz vor seinem Ende wog August Engelhardt 39 Kilogramm. Er war in einem erbärmlichen gesundheitlichen Zustand. Der 1874 geborene Industriellensohn ging mit nur 44 Jahren an einer Krankheit zugrunde, die bis heute nicht ausgerottet ist. Engelhardt litt unter Ernährungsfanatismus. In seinem Fall war die Kokosnuss sein Verderben. Er war überzeugt, dass sie eine göttliche Frucht mit paranormalen Kräften sei und der einzige Weg zu völliger Gesundheit.

Es gibt noch immer Leute, die das glauben - oder Glauben machen wollen. Kokosöl wird heute als Superfood beworben. Es soll Knochen und Immunsystem stärken, gegen Viren und Bakterien helfen, den Alterungsprozess stoppen. Wissenschaftliche Belege gibt es dafür keine. Allein deshalb ist es richtig, dass sich Ernährungsexperten jetzt gegen den Hype aufgelehnt haben. Der fettige Extrakt fördert in keiner Weise die Gesundheit. Und es ist die Aufgabe von Fachleuten, die Öffentlichkeit auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

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:"Kokosöl ist reines Gift!"

Die Medizin-Professorin Karin Michels warnt in einem Vortrag an der Uni Freiburg ausdrücklich vor dem beliebten "Superfood" Kokosöl. Es sei "eines der schlimmsten Lebensmittel, die man zu sich nehmen könne". Ihr Vortrag wird zum Youtube-Hit.

Das Problem aber ist, wenn die gleichen Fachleute eine Gegenhysterie schüren. Von Gift ist jetzt nämlich die Rede, ein Video der Freiburger Medizinerin Karin Michels hat einen regelrechten Kontrahype befördert. Kokosöl sei "eines der schlimmsten Nahrungsmittel" überhaupt. Auch dafür gibt es nur schwache Belege. Man gewinnt den Eindruck, dass der Zweck die Mittel heiligt. Was macht schon die Übertreibung, wenn man gegen unlautere Behauptungen kämpft?

Es ist kein neues Phänomen. Die Welt kennt nur noch Gut und Böse, Hype oder Hysterie, supergesund oder supergiftig. Doch schaut man auf die Tatsachen, so ergeben sich selten mehr als Grautöne, auch im Fall Kokosöl ist das so. Zum Kochen ist es gut geeignet, vor allem asiatische Küchen verwenden es, auch die ähnlich fette Kokosmilch hat eine große Bedeutung als Geschmacksträger. Zuviel Fett ist dennoch ungut, egal, von welchem. Das Maß ist grau. Und das betrifft nicht nur das Essen: Kein Nahrungsmittel, kein Medikament, keine Technologie bringt nur Gutes oder Schlechtes. Es gibt stets ein Für und ein Wider. Es kommt darauf an, wie der Mensch handelt. Nur will das keiner wissen, und die Frage ist, warum. Manche sagen: Die Welt ist so kompliziert geworden, da sucht sich jeder seinen Weg zur Selbstgewissheit. Und sei er dominiert vom Kokosöl.

Was das Kokosöl betrifft, wünscht man sich eher die Gelassenheit zurück, mit der die Mütter früher Kalten Hund zubereitet haben. Man kann darüber streiten, ob ein Kekskuchen mit Schokoladenkokosfettpaste einen nennenswerten kulinarischen Wert hat, es ist auch zweifelhaft, ob es gut wäre, jeden Tag welchen zu essen. Aber es gab ihn eben zum Geburtstag. Und deshalb war er etwas Gutes.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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