Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Durchfall-Erreger breiten sich in der Ostsee aus

Der Klimawandel heizt die Ostsee besonders schnell auf und lässt damit Bakterien gedeihen. Für Anwohner und Urlauber steigt das Risiko, an Durchfall und Blutvergiftungen zu erkranken.

Durch den Klimawandel vermehren sich krankmachende Bakterien in der Ostsee. Wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin Nature Climate Change berichtet, infizieren sich in warmen Sommern immer mehr Menschen mit dem Bakterium Vibrio vulnificus. Es ruft bei gesunden Menschen Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen hervor. Gelangt es über Wunden in den Blutkreislauf oder ist das Immunsystem der Erkrankten geschwächt, kann es auch lebensbedrohliches Fieber und eine Blutvergiftung auslösen. Auch der eng verwandte Cholera-Erreger, Vibrio cholerae, ist dem Bericht zufolge auf dem Vormarsch.

Während der extrem warmen Sommer 1994, 2003 und 2006 habe es an der Ostseeküste bereits zahlreiche Berichte über infizierte Wunden und auch Fälle von Infektionen mit Cholera-Bakterien gegeben. Allerdings handelte es sich um eine Form der Bakterien, die nicht die klassische Form der Cholera auslösen. Allein im Jahr 2006 steckten sich 67 Menschen beim Baden oder Wassersport mit Vibrio-Erregern an, einige starben.

Ursache für die Ausbreitung der Bakterien sei das wärmer werdende Meerwasser. Betroffen von diesem steigenden Infektionsrisiko seien vor allem die dichtbesiedelten Küsten der mittleren und südlichen Ostsee, warnen die Wissenschaftler. Neben Dänemark und Südschweden betrifft dies auch Deutschland und Polen.

Die Bakterien der Vibrio-Gruppe bevorzugen normalerweise Wasser von mindestens 15 Grad Celsius sowie niedrige Salzgehalte. Lange Zeit war die Ostsee in weiten Teilen zu kalt, so dass die Erreger nicht auf Dauer überleben konnten. Durch den Klimawandel hat sich dies jedoch geändert. "Allein zwischen 1982 und 2007 sind die Wassertemperaturen in der Ostsee um 1,35 Grad Celsius angestiegen - das ist siebenmal mehr als im globalen Durchschnitt", sagen die Forscher. Die Ostsee sei damit das sich am schnellsten erwärmende Meeresökosystem überhaupt.

Das wärmer werdende Ostseewasser bietet den Krankheitserregern immer bessere Lebensbedingungen. Sie können sich schneller vermehren und auch ihre krankmachende Wirkung nimmt zu, wie die Forscher berichten.

Bis zum Jahr 2050 werde die Anzahl der Vibrio-Infektionen deutlich zunehmen, wenn die Erwärmung der Ostsee weiter fortschreite, sagen die Forscher. Für jedes Grad, das sich die Ostsee zukünftig erwärme, werde sich die Anzahl der Krankheitsfälle um fast das Doppelte erhöhen.

Krankheitsfälle seien dann nicht mehr nur in extrem warmen Sommern zu erwarten. Außerdem werde sich das Risikogebiet weiter nach Norden ausbreiten. Dann könnten auch Ballungsgebiete wie Stockholm und Sankt Petersburg gefährdet sein. "Mehr als 30 Millionen Menschen leben weniger als 50 Kilometer von der Ostsee entfernt", schreiben die Forscher. Sie tragen ein zunehmendes Risiko, sich über offene Wunden, verseuchte Meeresfrüchte, aber auch verschlucktes Wasser mit den Vibrio-Keimen zu infizieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1419531
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dapd/beu/dd/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.