Klima und Gesundheit:Hitzeschutz beginnt im Alltag

Hitzewelle in Italien

Wasserspender und Ventilatoren, wie hier vor dem Kolosseum in Rom, sollten im öffentlichen Raum zum Standard werden.

(Foto: Andrew Medichini/dpa)

Extreme Temperaturen werden in Zukunft häufiger. Höchste Zeit, das öffentliche Leben daran anzupassen.

Kommentar von Berit Uhlmann

Noch kennt die deutsche Sprache kein Wort für das Gegenteil von Erfrieren, für den Tod durch eine sengende, unbarmherzige Hitze. Dabei ist diese Art zu sterben in Zeiten der Klimakrise längst kein Ausnahmeereignis mehr: 2019 dürften extrem hohe Temperaturen mehr als 350 000 Menschen weltweit das Leben gekostet haben. Die Zahl entstammt einer soeben im Fachblatt Lancet erschienen Modellierung, die Forscher zum Anlass nehmen, stärkere Anpassungen an die Folgen des Klimawandels zu fordern.

Ganz klar ist, dass alles getan werden muss, um die weitere Erhitzung des Planeten zu bremsen. Doch sicher ist auch, dass selbst bei größter Anstrengung einige Folgen des Klimawandels nicht mehr abzuwenden sind. In seinem jüngsten Bericht prognostiziert der Weltklimarat, dass die Erderwärmung - unabhängig davon, wie sich die Emissionen entwickeln - in den kommenden zwei Jahrzehnten um mindestens 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zulegen wird. Rekordtemperaturen werden damit häufiger, intensiver und länger.

Die Unsitte, im Restaurant Wasser nur für Geld zu anzubieten, muss aufhören

Um die Menschen davor zu bewahren, dass solche Extremereignisse ihnen das Leben kosten, sind große, vor allem stadtplanerische Anpassungen nötig: mehr Grünflächen, Bäume und weniger Verkehr in den Innenstädten gehören dazu. Und doch gilt es auch, die einfacheren, die schnell umsetzbaren Schutzmaßnahmen nicht zu vergessen.

So gehört etwa kostenloses Trinkwasser in den öffentlichen Raum. Wasserspender sollten Standard in Geschäften und Einrichtungen sein - und Cafés sich von der Unsitte verabschieden, schwer Durstenden überteuerten Designer-Sprudel anzudrehen. Freies Leitungswasser muss stets auf dem Tisch stehen.

Wo immer es geht, sollten Berufstätige ihre Arbeiten in die kühleren Stunden verlegen dürfen. Die Siesta ist kein Luxus fauler Urlaubstage, sondern ein sinnvolles Mittel, gefährliche Anstrengungen während der Höchsttemperaturen des Tages zu vermeiden.

Das heißt auch, dass Geschäfte und Dienstleister ihre Öffnungszeiten flexibel an die Temperaturen anpassen müssen. So schwer ist das nicht: Wenn Ladenöffnungszeiten für Weihnachtsshopping oder eine Fußball-WM ausgedehnt werden, muss diese Möglichkeit für Gefahrenlagen wie Extremtemperaturen erst Recht offen stehen.

Ventilatoren sollten in Wartezimmern und anderen öffentlichen Räumen die Regel sein. Strikte Kleidungsvorschriften für Angestellte, etwa dunkle Uniformen in Bahn und Nahverkehr, gehören mindestens für die heißen Wochen abgeschafft.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das alles sind keine umfassenden Lösungen für die Klimakrise, sie sind beileibe nicht ausreichend. Aber sie sind ein Anfang, der im Alltag greifbarer werden lässt, was viele Menschen offenbar nicht verstanden haben: Die Lage ist todernst.

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