Kindsentwicklung:Vom Sinn des Blödsinns

Autistische Kinder handeln effizient. Gewöhnliche Gleichaltrige machen hingegen fast jeden Quatsch mit.

Von Christina Berndt

Kinder kopieren gerne, was andere tun, auch wenn die imitierten Handlungen mitunter großer Quatsch sind. Schließlich lernen Kinder zum großen Teil aus Nachahmung und Wiederholung, lautet die gängige Begründung. Doch eine aktuelle Studie aus England zeigt, dass wohl noch mehr hinter dieser "übertriebenen Nachahmung" sinnloser Tätigkeiten steckt als nur die Erkundung neuer, unbekannter Situationen.

Soziale Faktoren - etwa der Wunsch, Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen - scheinen ebenfalls Antrieb zu den vermeintlich nutzlosen Wiederholungen zu sein: Autistische Kinder nämlich kopieren alberne Handlungen erheblich seltener, als sich gewöhnlich entwickelnde Altersgenossen, berichten Psychologen von der University of Nottingham jetzt (Current Biology, online).

Die Engländer forderten ihre kindlichen Probanden absichtlich auf, Tätigkeiten zu erledigen, die ihnen zweifelsohne vertraut waren. So machte ihnen ein Erwachsener vor, ein Spielzeug aus einer Kunststoffdose herauszuholen, die mit einem Deckel verschlossen war. Allerdings bauten die Erwachsenen auch sinnfreie Handlungen in ihre Vorführung ein - zum Beispiel klopften sie zwischenzeitlich zweimal auf den Deckel der Dose.

In diesem Punkt zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den 31 autistischen und den 60 typischen Kindern, die an der Studie teilnahmen. Von diesen waren 30 ebenso alt wie die autistischen Kinder, die übrigen 30 mental gleich weit entwickelt. Alle Probanden konnten die Aufgabe leicht erfüllen. Die typischen Kinder aber kopierten in stärkerem Ausmaß als die autistischen auch die Albernheiten der Erwachsenen. Sie ließen nur jeden zweiten spielerischen Schritt aus, die autistischen Kinder vier von fünf. Dabei war den normalen Kindern sogar stärker bewusst, dass etwa das Klopfen jeglichen Sinns entbehrte, wie die Wissenschaftler durch späteres Nachfragen herausfanden.

Wenn man so will, dann erfüllten die typischen Kinder die ihnen gestellte Aufgabe schlechter. Denn sie waren nur aufgefordert worden, "so schnell wie möglich an das Spielzeug zu kommen"; sie sollten keinesfalls das Verhalten kopieren, das sie gesehen hatten. Den autistischen Kindern war es offensichtlich nicht so wichtig, sich ebenso zu betragen wie die anderen, sagt die Studienleiterin Antonia Hamilton: "Typische Kinder erledigen Dinge dagegen eher sozial und weniger effizient." Eltern und Lehrer sollten sich klar machen, dass es für eine gesunde Entwicklung wichtig sei, mitunter mehr zu tun, als nur Aufgaben zu erfüllen.

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