Kinderkrankheit:Die Masern "durchmachen" zu wollen, ist unvernünftig

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Wer vor 1970 geboren wurde, ist wahrscheinlich lebenslang vor Masern geschützt. Damals gab es noch keine Impfung, fast alle Kinder haben die Masern durchgemacht. Epidemiologische Daten zeigen, dass 95 bis 98 Prozent der Kinder aus den 1960ern und 1950ern eine Immunität gegen Masern aufweisen. Sie gehören zu jenen, die damals die Krankheit folgenlos überlebt und keine Komplikation erlitten haben. Es ist leicht, gegen Impfungen zu sein, wenn man von den anderen geschützt wird, die sich impfen lassen. Dabei ist die Impfung selbst mit weitaus geringeren Risiken verbunden als die Krankheit. Gelegentlich kann es zu Fieberkrämpfen kommen, ganz selten zu allergischen Reaktionen oder Gelenkentzündungen.

Kinderkrankheit: SZ-Grafik; Quelle: Robert Koch-Institut

SZ-Grafik; Quelle: Robert Koch-Institut

Im Vergleich dazu ist das Risiko durch die Krankheit hoch, auch in Deutschland. Nach Angaben der WHO liegt die Sterblichkeit durch Masern zwischen 0,05 und 0,1 Prozent. In Entwicklungsländern kann sie bei fünf Prozent liegen. Werden auch Verläufe nach SSPE berücksichtigt, kommt man in Deutschland auf 15 Todesfälle durch Masern von 2001 bis 2012. Dies entspricht etwa einem Todesfall pro 1000 Masernerkrankte. Todesfälle gab es in Deutschland vor 2017 zuletzt 2015, damals starb ein Kleinkind - 2011 ein junger Mann. Masernfälle schwanken stark, wie die Grafik zeigt. Breitet sich eine Infektion in Regionen aus, in denen wenig geimpft wird, sind viele Krankheitsfälle zu beklagen.

Impfgegner behaupten häufig, dass es besser sei, die Krankheit "durchzumachen". Vernünftig ist das nicht. Zwar verleiht auch die Krankheit Immunität, doch davon profitiert nur, wer die Infektion ohne Komplikationen überstanden hat. Zudem wird erwähnt, dass der Impfstoff gefährlich sei. Doch Nebenwirkungen und Gegenreaktionen der Impfung werden in vielen Ländern von Behörden dokumentiert und sind äußerst selten.

Auch die Fälschung von Andrew Wakefield wirkt nach. Der Brite, der längst seine Zulassung als Arzt verloren hat, behauptete 1998, dass die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln eine chronische Darmentzündung und Autismus auslösen würde. Der Beitrag wurde zwar als vermutlich größter Betrug der Medizingeschichte entlarvt, denn die Kinder litten bereits vor der Impfung an Autismus und Morbus Crohn. Trotzdem hat sich bei vielen impfkritischen Eltern der Irrglaube festgesetzt, die Impfung könne die genannten Krankheiten auslösen.

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