Kindergarten:Gesundheitsrisiko Unterbesetzung

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Von kleinen Kindergartengruppen profitiert auch die Gesundheit der Kleinen. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Je weniger Erzieher eine Kita hat, desto häufiger erkranken Kinder zum Beispiel an einer Mittelohrentzündung. Das kann sich auch auf ihren Bildungserfolg auswirken.

Von Ulrike Heidenreich, München

Manche Eltern meinen ja, einen richtig guten Kindergarten erkenne man daran, dass ihr Nachwuchs dort Chinesisch lernt und zum Schuleintritt das ABC aufsagen kann, vor- und rückwärts natürlich. In Wahrheit jedoch können Eltern aus der Präsentation eines Kindergartens ganz andere Dinge ablesen - nämlich wann und wie häufig die erste Mittelohrentzündung droht und wie hoch die Gefahr von Neurodermitis-Erkrankungen ist. Mit dieser Erkenntnis wartet nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin auf. Die Formel der Studie: Je weniger Betreuer sich um sie kümmern, desto häufiger werden Vorschulkinder im Alter von fünf und sechs Jahren krank.

Nahezu jedes Kind zwischen drei und sechs Jahren, nämlich 93,6 Prozent, geht mittlerweile in Deutschland in eine Kindertagesstätte. Gerade nach dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz wird allerorten an Qualitätsprogrammen gefeilt, erarbeiten Pädagogen in unzähligen Expertenrunden neue Kriterienkataloge. "Die Diskussion beschränkt sich jedoch häufig nur auf die Förderung der Fähigkeiten von Kindern und berücksichtigt kaum deren Gesundheit", bemängelt Frauke Peter vom DIW.

Dabei beeinflusse der Gesundheitsstatus eines Kindes ganz maßgeblich dessen späteren Bildungserfolg. Wer häufig an einer Mittelohrentzündung leide, höre schlechter, hinke folglich bei der Sprachentwicklung hinterher. Wer von Neurodermitis geplagt sei, habe es vielleicht schwerer, sich zu konzentrieren - bedingt durch Stress und Schlafmangel, den diese Hautkrankheit hervorrufen kann.

Letztere Erkenntnisse ziehen die Forscher aus amerikanischen Studien. Ihre Analyse zum Zusammenhang zwischen der Betreuerzahl und kindlicher Gesundheit leiten die DIW-Experten hingegen aus amtlichen Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik ab und dem Sozioökonomischen Panel, einer für Deutschland repräsentativen Haushalts- und Personenbefragung. "Der Kind-Betreuer-Schlüssel variiert hierzulande zwischen sechs und zwölf Kindern pro Betreuer", sagt Peter.

Neun Kinder pro Erzieherin

Im bundesweiten Durchschnitt kümmert sich eine Erzieherin um neun Vorschulkinder, umfasst eine Gruppe 22 Kinder. 32 Prozent der Fünf- bis Sechsjährigen erkranken hier an Mittelohrentzündung, zehn Prozent an Neurodermitis. In Kinderkrippen, in denen der Personalschlüssel höher ist, sind es nur 25 Prozent der kleinen Besucher im Alter von zwei bis drei Jahren.

"Eine niedrige Zahl von Betreuern hat einen negativen Einfluss auf die Gesundheit in Kitas", folgert die DIW-Forscherin. Die Erkenntnis liegt auf der Hand: Gibt es mehr Erzieherinnen, sind die Gruppen kleiner, verringert sich die Ansteckungsgefahr im Kontakt mit Spielkameraden. Der Vorteil für neurodermitiskranke Kinder liege darin, dass auf deren Probleme wie Konzentrationsschwierigkeiten in kleineren Gruppen besser eingegangen werden könne, der Stresspegel niedriger sei.

Es wurden die Daten von 600 Kindern, die Kitas besuchen, ausgewertet. Für die DIW-Wissenschaftlerin ist das Ergebnis der Studie ein Auftrag für die Bildungs- und Familienpolitik, mehr Erzieher einzustellen: "Ein gesundes Kind hat bessere Chancen, auch andere Fähigkeiten zu entwickeln."

© SZ vom 15.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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