Kennzeichnung von Lebensmitteln:Gentechnik ist überall

Entscheidung über Genmais-Verbot

Gentechnik ist heute weiter verbreitet als den Verbrauchern bewusst ist.

(Foto: picture-alliance/ ZB)

Forscher wollen per Petition erreichen, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel umfassend gekennzeichnet werden. Nicht um sie anzuprangern, sondern um sie hoffähig zu machen.

Von Kai Kupferschmidt

Wenn Horst Rehberger über die Kühe redet, gerät er in Rage. Ein Leben lang könnten die mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln gefüttert werden, und wenn sie dann einige Wochen vor der Schlachtung zum Grasen auf die Wiese geschickt werden, könne ihr Fleisch als "ohne Gentechnik" verkauft werden. "Der Verbraucher wird verarscht", sagt Rehberger. Tatsächlich beträgt die Frist für Rindfleisch zwölf Monate, für Milch gelten drei Monate. Aber es geht Rehberger ums Prinzip. Und nicht nur um die Kühe: Jeans, die aus gentechnisch veränderter Baumwolle hergestellt werden, Vitamine, aus veränderten Mikroorganismen: Das alles müsse endlich gekennzeichnet werden. Eine entsprechende Petition an den Bundestag hat er nun gestellt.

Von diesem Dienstag an können Unterstützer die Petition auf der Internetseite des Bundestags vier Wochen lang unterzeichnen. Erreicht sie mehr als 50 000 Unterschriften, muss sich der Petitionsausschuss des Bundestages damit beschäftigen.

Rehberger mag klingen wie ein Greenpeace-Aktivist, aber tatsächlich ist er ein Gentechnik-Befürworter. Der ehemalige Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, ist heute Vorsitzender des "Forum Grüne Vernunft", eines Vereins, der sich für die Grüne Gentechnik einsetzt. Sein Vorstoß ist eine Flucht nach vorn. Er möchte den Verbrauchern vor Augen führen, dass sie in fast allen Bereichen ihres Lebens bereits Produkte nutzen, die mit Hilfe von Gentechnik produziert werden: Medikamente, Textilien, Waschmittel, Lebensmittel. Sein Ziel sei es, eine Wende in der festgefahrenen Gentechnikdebatte herbeizuführen, sagt Rehberger.

Greenpeace ist von dem Vorstoß dann auch wenig begeistert. Es sei richtig, dass tierische Produkte, bei denen gentechnisch veränderte Pflanzen verfüttert wurden, gekennzeichnet werden müssen, sagt Stephanie Töwe-Rimkeit, die für die Umweltorganisation arbeitet. Das sei im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auch festgehalten. Eine pauschale Kennzeichnung aller Lebensmittel, die mit Gentechnik "in Berührung gekommen" seien, führe dagegen in die Irre.

"Es ist ein Unterschied, ob ein Stück Tofu zu hundert Prozent aus gentechnisch veränderter Soja besteht, oder ob Milch von einer Kuh stammt, die mal als Kalb einmalig ein Vitaminpräparat erhalten hat, das wiederum eine Komponente enthält, die mit Hilfe eines gentechnisch veränderten Bakteriums in einem geschlossen System hergestellt wurde."

"Man sollte einfach ehrlich sein zu der Bevölkerung"

Der Initiative gehe es darum, Gentechnik auf dem Acker hoffähig zu machen, sagt Gerald Wehde vom Verband "Bioland". "Ob diese Strategie wirklich durchdacht ist, stelle ich in Frage." So könnte eine allgemeine Kennzeichnung auch dazu führen, dass das schlechte Image der grünen Gentechnik sich auf andere Bereiche ausdehnt, warnt er.

Einige prominente Unterstützer hat die Petition schon: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner unterstützt den Aufruf ebenso wie Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard und zahlreiche andere Forscher. Einer von ihnen ist Wilfried Schwab, Professor für Biotechnologie der Naturstoffe an der Technischen Universität München. Er sehe sich weder als starker Befürworter noch als Gegner der Gentechnik, sagt Schwab. "Ich finde, die Debatte ist auf beiden Seiten ziemlich verlogen. Man sollte einfach ehrlich sein zu der Bevölkerung und das deklarieren", sagt er.

Natürlich dürfe das keine plumpe Ja-Nein-Kennzeichnung sein. "Es muss dann schon verschiedene Abstufungen geben." Etwa ob ein Lebensmittel gentechnisch veränderte Zutaten enthalte, oder ob Zutaten von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden.

Wie so eine Kennzeichnung sich auf dem Markt auswirken würde, ist überhaupt nicht klar. So gibt es einige Studien, die nahelegen, dass ein Gentechnik-Label selbst bei Lebensmitteln am Verhalten der Verbraucher weniger ändert als gedacht. In einem Versuch in der Schweiz, wo die Bevölkerung grüne Gentechnik überwiegend ablehnt, wurde Käufern zum Beispiel Brot angeboten, das unterschiedlich gekennzeichnet wurde: als "bio", "mit konventionellem Mais hergestellt" oder "mit gentechnisch verändertem Mais". Kosteten die Brote gleich viel, enthielt jedes fünfte verkaufte Brot gentechnisch veränderten Mais. Ein Viertel der Menschen, die dieses Brot gekauft hatten, gab hinterher sogar an, in einer Volksabstimmung für ein Verbot der grünen Gentechnik gestimmt zu haben. Verbraucher seien sehr wohl bereit, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu kaufen, folgerten die Autoren. Unangenehm sei ihnen vor allem das Gefühl, manipulierte Lebensmittel zu verzehren, ohne es zu wissen oder ändern zu können.

Der Genetiker Hans-Jörg Jacobsen geht sogar noch einen Schritt weiter. Er glaubt, dass ein Gentechnik-Label eines Tages sogar eine Art Qualitätssiegel sein könnte. Immerhin sei "Made in Germany" einst auch von Großbritannien als Abschreckung eingeführt worden. Und wenn es anders komme, dann würden sich die Verbraucher eben gegen solche Produkte entscheiden. "Das werden sie dann relativ schnell am Preis merken. Dann werden die Produkte eben teurer."

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