Süddeutsche Zeitung

Infektionskrankheiten:Wie Sansibar erfolgreich die Malaria bekämpft

655.000 Menschen sind im Jahre 2010 an Malaria gestorben, weltweit tötet die Krankheit jede Minute ein Kind. Der Kampf gegen die Infektionen ist langwierig und zäh. Doch in manchen afrikanischen Staaten sind Fortschritte sichtbar.

Arne Perras

Wenn man jahrelang miterlebt hat, wie mühsam sich der Kampf gegen den tödlichen Malaria-Erreger in Afrika gestaltet, gibt es trotzdem Orte, die verblüffen.

Besuch im Zentralkrankenhaus von Sansibar, erster Stock: Von den Mauern bröckelt der Putz. Aber dennoch zeugen die Flure von einem bemerkenswerten Fortschritt. Krankenschwester Kadija Zam ist 53 Jahre alt und arbeitet seit drei Jahrzehnten in dieser Klinik. Früher hätten sie oft gar nicht mehr gewusst, wo sie die schwer kranken Kinder hinbetten sollten.

Drei auf einer Matratze - das war keine Seltenheit. Und oftmals kamen die Patienten zu spät, besonders die ganz Kleinen unter drei Jahren. "Ich habe so viele von ihnen sterben sehen", sagt Schwester Kadija. "Und jetzt? "Schauen Sie sich um", ruft sie. "Wir haben seit Tagen kein Kind mehr mit Malaria hereinbekommen. Fragen Sie den Chef im Labor."

Weltweit tötet Malaria jede Minute ein Kind. Das klingt nicht nach einem baldigen Sieg über einen Parasiten, der noch immer als größte Geißel der Armut gelten muss. Und doch: Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht in ihrem neuen globalen Report von einem "deutlichen Fortschritt" im Kampf gegen die Krankheit. Die Sterberaten sinken. 655.000 Tote waren es im Jahre 2010, immerhin 36.000 weniger als im Jahr zuvor.

Im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts wurde die Malaria in allen betroffenen Gegenden der Welt zurückgedrängt, selbst südlich der Sahara. In jedem zweiten Staat der Welt gibt es die Krankheit, die Stechmücken von Mensch zu Mensch tragen. Neun von zehn Todesopfern stammen aus Afrika. Und fast alle sind unter fünf Jahre alt.

Malaria ist ein berüchtigter Kinder-Killer. Aber die Krankheit richtet noch viel mehr an. Sie bremst ganze Länder in ihrer Entwicklung, ähnlich wie die Immunschwächekrankheit Aids. Amtsstuben und Firmen, Schulen und Universitäten - sie alle müssen immer wieder die Arbeitsausfälle ihrer kranken Mitarbeiter überbrücken, die, gestochen von einem infizierten Moskito, in ihren Betten vor sich hinfiebern.

Sie können schnell sterben, wenn sie nicht sofort Medikamente einnehmen. Diese immer wieder kehrenden Einbrüche in der Arbeitswelt senken die Wirtschaftskraft der stark betroffenen Staaten erheblich.

Zurück zu einer Erfolgsgeschichte, zurück im Zentralkrankenhaus von Sansibar. Ein Stockwerk tiefer: eine knarrende Holztür öffnet sich und Amier Yussuf, ein freundlicher älterer Herr, bittet herein in sein kleines Reich der Mikroskope. In diesem winzigen Raum sitzen seine Laboranten und fahnden nach dem Erreger.

Jeder Blutstropfen wird unter hundertfacher Vergrößerung inspiziert, hier haben sie längst ein geschultes Auge für den Parasiten. Nur dass sie ihn heute nur noch sehr selten entdecken. "In einem Monat hatten wir zwei Fälle", rechnet Yussuf vor. Früher, so erinnert er sich, sei oft jede zweite Blutprobe, die bei Patienten genommen wurde, positiv gewesen. Zehn bis 20 Malaria-Patienten am Tag waren keine Seltenheit.

Sansibar hat die Malaria stark zurückgedrängt, manche sehen die Insel gar als Modell im Kampf gegen die Krankheit. Der Manager des dortigen Anti-Malaria-Programms, Ali Abdullah, sagt, dass es vor allem auf eine entschlossene politische Führung ankäme. "Und ohne das Geld aus großen internationalen Töpfen wie dem Globalen Fonds gegen HIV, Malaria und Tuberkulose hätten wir das gar nicht machen können."

Internationale Fonds verfügten 2011 über zwei Milliarden Dollar, um Malaria zu bekämpfen. Jeder zweite Haushalt südlich der Sahara hat nun zumindest ein Moskito-Netz. Doch die WHO sagt, dass das Geld nicht ausreiche, um die Fortschritte genügend voranzutreiben. Dafür seien sechs Milliarden pro Jahr nötig.

Auf Sansibar wurde die Anti-Malaria-Kampagne entschlossen vorangetrieben. Manche Menschen in den Dörfern sagen aber auch, dass sie zuweilen etwas brachial war. Immer wieder gab es Leute, die sich dagegen wehrten, dass die Innenwände ihrer Häuser mit Pestiziden besprüht werden sollten. Diese sind zwar sehr wirksam, um die Zahl der Mücken zu reduzieren, aber nicht alle glauben daran, dass die Prävention für Menschen so harmlos ist, wie die WHO behauptet.

Die Behörden in Sansibar haben mit Chemikalien behandelte Moskitonetze verteilt und die meisten Menschen davon überzeugt, dass es für sie besser ist, darunter zu schlafen, anstatt sie, wie andernorts, als Fischernetze zu benutzen. Zudem gibt es auf der Insel heute viel mehr Medikamente zur Behandlung und bessere Aufklärung.

Das alles hat dazu beigetragen, dass die Malaria so stark zurückgegangen ist, "auch wenn wir sie noch nicht eliminiert haben", wie Manager Abdullah sagt. Noch im Jahr 2000 starben auf der Insel zehnmal so viele Menschen wie heute. 2010 wurden nur noch 48 Todesfälle registriert - bei einer Bevölkerung von 1,3 Millionen Menschen.

Nicht alle Staaten wollen den Einsatz der Pestizide, der laut WHO bei richtiger Handhabung an den Wänden für die Gesundheit der Familien unbedenklich ist. Wenn die Chemikalien Moskitos töten können, die sich auf besprühten Wänden niedergelassen haben, dann tun sie vielleicht auch den Menschen nicht gut, vermuten manche.

Auch im sansibarischen Dorf Chechu gab es Streit über diese Fragen, einige Bauern wehrten sich gegen die Pestizide in ihrem Haus, andere sahen endlich eine Chance, das tödliche Fieber loszuwerden, das früher ihre Kinder tötete.

Was den Kampf gegen die Malaria sehr häufig erschwert, sind Resistenzen. Die WHO beobachtet, dass Moskitos viele der Pestizide inzwischen überstehen, betont aber, dass dies nicht auf missglückte Einsätze gegen die Malaria zurückgeführt werden könne. Bisher kommen - wie in Sansibar - oftmals Pyrethroide zum Einsatz. Oder auch DDT, das die WHO seit 2006 wieder zum Sprühen in Innenräumen empfohlen hat. Weil das Pestizid aber kaum abbaubar ist, forschen Chemiker an alternativen Stoffen, die künftig in der Malaria-Bekämpfung zum Einsatz kommen könnten.

Alarmiert sind Experten auch über jene Resistenzen, die der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum gegen ein zuletzt sehr erfolgreiches Medikament - Artemisinin - entwickelt hat. Sie sind besonders an der thailändisch-kambodschanischen Grenze 2009 aufgetreten und wurden nun auch in Vietnam und Myanmar bestätigt.

Um Resistenzen zu verhindern, ist es nötig, Artemisinin immer mit anderen Präparaten zu kombinieren. Aber in Südostasien ist dies vielfach nicht geschehen. Immer noch verkaufen 25 Länder Artemisinin heute als alleinigen Wirkstoff.

Und so geht es im Kampf gegen die Malaria wohl weiter auf und ab. Oft folgt auf einen Erfolg wieder ein Rückschlag. Ein schnelles Ende des Kinder-Killers wird es nicht geben.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2011/mcs
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