Bei Alfred Brehm Rat zu suchen, ist nicht zu empfehlen: "Die Beine sind zum Klettern und Anklammern eingerichtet, mit ihnen steigt die Laus im Haarwald umher", heißt es in "Brehms Tierleben". Und dann kommt es: "Der Munddarm wird ausgestülpt und als röhrenförmiger Rüssel fest auf die Haut angesetzt; ein Bohrstachel, der in einer Tasche verborgen war, kommt hervor und dringt bis zu den blutführenden Schichten". Und spätestens, wenn Brehm sich dazu versteigt, dass durch Bohrstachel und Munddarm am menschlichen Kopfe "blutrünstige Stellen" entstünden, wird es Zeit, dem Zoologen Einhalt zu gebieten.
Das Insekt, über das wir hier sprechen, misst nur wenige Millimeter und ist in aller Regel harmlos. Es rechtfertigt nicht die Vorstellung von sozialer Ächtung, die Betroffene heute erfasst. Und auch nicht die Panik, mit der Ecken im Haus ausgesaugt werden, in die noch nie ein Lebewesen vorgedrungen ist. Die erste Maßnahme bei Läusebefall heißt vielmehr: Durchatmen. Sich informieren. Alles schön der Reihe nach:
Wer bekommt Läuse?
Mit dem Steigen im Haarwald hatte Brehm recht. Die Tiere springen nicht, fliegen nicht, rennen nicht. Sie steigen nur dann auf neue Haare über, wenn sie ihnen direkt vor die Klauen gehalten werden. Das passiert besonders oft bei Mädchen im Kindergarten- und Schulalter, die von früh bis spät die langhaarigen Köpfe zusammenstecken. Dabei sind Läuse nicht wählerisch. Ob das Haar gepflegt oder vernachlässigt wird, ist ihnen herzlich egal. Ein Läusebefall hat rein gar nichts mit Hygiene zu tun. Umgekehrt gilt: Egal wie viel Edelkosmetik sich jemand auf das Haupt schäumt, reibt, cremt und sprüht, vor Läusen ist er damit nicht gefeit.
Woran erkenne ich Läuse?
Es juckt. Der Mensch kratzt. Wirklich gesichert wird die Diagnose jedoch erst durch "die Sichtung von mindestens einer Laus", heißt es im Fachblatt Der Hygieneinspektor. Die Sichtung gelingt mit einer Treffsicherheit von 91 Prozent durch das Auskämmen des feuchten Haares mit einem speziellen Läusekamm. Werden die engen Zinken auf weißem Tuch oder Papier abgestrichen, offenbaren sich die Insekten: zwei bis drei Millimeter groß, von stumpfer grau-brauner Farbe und eher behäbigem Charakter.
Oft sieht man an den Haaren auch winzige braun-graue oder weißliche Kügelchen kleben; das sind Läuseeier oder deren leere Hüllen. Sind sie weiter als einen Zentimeter von der Kopfhaut entfernt, rühren sie von einem früheren Befall her. Gefahr droht von ihnen nicht mehr.
Wie kriege ich Läuse von meinem Kopf?
In der Regel werden Läuse-Shampoos verwendet, die es rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen gibt. Wer sich schämt, sie laut zu ordern, sollte sich bewusst machen, dass er nicht der einzige ist: Jährlich werden in Deutschland etwa 30 Millionen Euro für Läusemittel ausgegeben. Leider nicht immer mit Erfolg.
Mittlerweile sind viele Läuse gegen die bislang am häufigsten benutzten Mittel resistent geworden. Waren Präparate mit dem Wirkstoff Permethrin in den 1990er Jahren noch zu 97 Prozent effektiv, wirkten sie 2013 nur noch in 13 Prozent der Fälle. Pflanzliche Mittel, die mit ihrer Sanftheit werben, sind kaum untersucht.
Als Mittel der Wahl gelten daher die sogenannten Dimeticone, Präparate, die kein Gift enthalten, sondern die Läuse auf mechanischem Weg erledigen, indem sie sie beispielsweise ersticken. Einige von ihnen machen zugleich den Eiern den Garaus. Um ganz sicher zu sein, sollten sie dennoch nach acht bis zehn Tagen erneut angewendet werden, um eventuell neu geschlüpfte oder beim ersten Mal überlebende Läuse zu beseitigen. Aus dem gleichen Grund wird auch tägliches Auskämmen mit dem Läusekamm empfohlen.
Wie kriege ich Läuse aus sonstigen Verstecken?
Eigentlich gar nicht, denn in der Regel hat die Laus keine weiteren Verstecke. Pediculus humanus capitis kommt nur beim Menschen vor; Sie brauchen Ihr Haustier also nicht zu shampoonieren.
Ohne menschlichen Kopf in der Nähe können die Insekten nur maximal 24 Stunden überleben. Viele Stunden vor Ablauf der Frist siechen sie schon schlapp und nicht mehr zur Fortpflanzung fähig vor sich hin. Es ist also unrealistisch zu glauben, in der Wohnung der Befallenen sei das große Krabbeln und Nisten ausgebrochen.
Australische Forscher haben auf 1000 Kinderköpfen mehr als 5000 Läuse gezählt, in den Mützen der Kids aber keine einziges Tier finden können. Ähnliche Ergebnisse haben Forscher für Teppiche, Möbel und Fußböden gezeigt. Lediglich auf Kopfkissen fand sich in sehr seltenen Fällen eine Laus. Der Hygieneinspektor stellt daher klar, dass die "von den Laienmedien empfohlenen" und "bis zum Exzess durchgeführten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen" im weiten Umkreis des Kindes überflüssig sind und nur "die allgemeine Hysterie" vergrößern. Niemand muss die Couch in Plastik hüllen oder Säcke voller Kuscheltiere in die Tiefkühltruhe sperren. Allenfalls Kopfkissen sollten gewaschen und Kämme, Bürsten und Haargummis in heißer Seifenlösung gereinigt werden.
Wie schütze ich mich vor Läusen?
Wenn jemand Läuse auf seinem Kopf entdeckt, beherbergt er sie in der Regel schon eine Weile - und hatte damit eine Menge Gelegenheiten, sie auf andere zu übertragen. Deshalb sollten vorsorglich alle, die in den vorangegangenen zwei Wochen Kopfkontakt zum Befallenen hatten, inspiziert oder behandelt werden - und zwar möglichst gleichzeitig. Und hier beginnt das Problem.
Läuse sind Menschen so peinlich, dass selbst die ehrlichsten Häute zu astreinen Lügnern werden. Auf den Köpfen der ahnungslosen Nachbarskinder kann derweil die Läusepopulation anwachsen - und von dort zurück zum eigenen Nachwuchs steigen. Denn das ist die Crux: Läuse kann man beliebig oft kriegen. Es gibt keine Immunität und keinerlei dauerhafte Schutzmittel. Bei großem Pech kann eine Art Ping-Pong an Läuse-Befall entstehen. Es liegt daher in Ihrem eigenen Interesse, den Befall allen Kontaktpersonen zu beichten - und gegegenenfalls auch Schule und Kindergarten zu informieren.