Kabinett der Kalamitäten:Tricks gegen den Hicks

Schuckauf

Bis zu 48 Stunden langer Schluckauf gilt als normal.

(Foto: Illustration: Dalila Keller)

Der Körper ist ein Wunderwerk - und verwundert uns täglich aufs Neue. Er produziert seltsame Geräusche, Gerüche, Ticks, Besessenheiten und Beschwerden. Hält sich aber gerne bedeckt, wenn man fragt: Wo kommt das her? Und vor allem: Wie geht das wieder weg? Eine Serie über Alltags-Misslichkeiten. Teil 6: Schluckauf.

Von Berit Uhlmann

Charles Osborne hält den Weltrekord im Schluckauf. 68 Jahre lang hickste er sich durchs Leben. Der Amerikaner war ein absoluter Ausnahmefall, dennoch kann auch der ganz gewöhnliche Schluckauf erstaunlich lange dauern: Bis zu 48 Stunden gelten als normal.

Das ist mindestens lästig. Denn Schluckauf lässt sich willentlich nicht unterdrücken und ist nach allem, was man weiß, völlig überflüssig. Zumindest hat noch niemand eine handfeste Funktion dafür finden können, warum zwischen vier und 60 Mal pro Minute folgende Kaskade abläuft: Das Zwerchfell zieht sich heftig zusammen, Luft strömt rasant in die Lunge und die Stimmlippen schließen sich laut klackernd.

Als Auslöser wird vor allem das Essen diskutiert: Zu viel, zu schnell, zu scharf, zu viel Kohlensäure, zu plötzlicher Wechsel zwischen heißen und kalten Speisen. Essgewohnheiten kann man vielleicht ändern. Schwieriger wird die Vorbeugung schon bei dem seltsamen Phänomen, das bei Männern beobachtet wurde: Schluckauf trat bei einigen auf, wenn sie sich rasierten oder ausgiebig am Kinn kratzten. Vollends unmöglich wird Prävention für jene, die im Schlaf vom bebenden Zwerchfell heimgesucht werden. Was also tun, wenn es losgeht?

Als der Philosoph Aristophanes einst von einem heftigen Schluckauf geplagt wurde, empfahl ihm ein Arzt, die Luft anzuhalten, dann mit Wasser zu gurgeln und sich schließlich einen Fremdkörper in die Nase zu schieben, um Niesen auszulösen. In den folgenden 2000 Jahren hat sich einiges getan: Die Empfehlungen klingen jetzt spektakulärer. So haben New Yorker Ärzte das alte Prinzip des Luftanhaltens weiterentwickelt. Es heißt jetzt "Supra-supramaximale Einatmung" und ist nach Angaben der Erfinder zu hundert Prozent erfolgreich.

Schnappatmung gegen Schluckauf

Falls Sie es probieren wollen: Es geht um eine Art Schnappatmung. Ganz tief einatmen, die Luft zehn Sekunden lang anhalten, dann noch ein klein bisschen mehr einatmen, fünf Sekunden halten, dann einen weiteren Atemzug nehmen und nochmal fünf Sekunden lang halten. Das Ganze brachte all ihre Patienten zur Ruhe, versicherten die Mediziner. Die Anzahl der Geheilten betrug fünf, was allerdings in der Schluckauf-Forschung als ordentliche Menge gelten muss.

Die zweite spektakuläre Kur - nämlich Sex - schmückt sich ebenfalls mit einer 100-prozentigen Erfolgsquote. Erreicht wurde sie in einer Studienpopulation von einem Mann, der die wundersame Heilung seinen Hausärzten erzählte.

Ein indischer Arzt schaffte es mit der Versicherung in eine Fachzeitschrift, er habe schon "vielen" geholfen, im dem er sie aufforderte, sich den Finger in den Hals zu stecken. Wem das nicht zusagt, dem sei die Fremdkörper-Nasenbohrerei des Aristophanes empfohlen. Der Philosoph höchstselbst bezeugte deren Wirksamkeit.

Nicht wissenschaftlich untersucht ist, ob Erschrecken hilft. Auf jeden Fall gibt es volksmedizinisch überlieferte Kuren, die geeignet sind, den Betroffenen den Angstschweiß ins Gesicht zu treiben. Ehe Sie auf dem Kopf stehend und hyperventilierend an Ihrer Zunge zerren oder Ihren Hausarzt um eine rektale Massage ersuchen (ja, sie funktionierte in einer Studie), lehnen Sie sich lieber entspannt zurück. Das Schlimmste haben Sie schon hinter sich. Ungeborene hicksen täglich, Neugeborene sind 2,5 Prozent ihrer Zeit mit dem Glucksen beschäftigt. Doch das bleibt nicht so. Der Schluckauf gehört zu den wenigen gesundheitlichen Problemen, die mit dem Alter immer besser werden.

Hinweis: In dieser Serie beschäftigen wir uns mit Phänomenen, die im Alltag als sehr störend erlebt werden, in den meisten Fällen jedoch nicht aufwändig diagnostiziert und behandelt werden müssen. Schluckauf fällt überwiegend in diese Kategorie. Allerdings kann Schluckauf, der länger als 48 Stunden anhält, ein Symptom von ernsten Erkrankungen oder Nebenwirkung von medizinischen Behandlungen sein. In diesem Fall brauchen die Betroffenen professionellen Rat.

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