Süddeutsche Zeitung

Jodsalz:Bröckchen des Bösen?

In Zeiten, da Salz als Gourmetprodukt gehandelt wird, ist Jodsalz äußerst unbeliebt. Nicht wenige fragen: Braucht man angereichertes Salz heute noch?

Von Berit Uhlmann

Für die Anhänger allen Naturbelassenen ist Jodsalz der Feind. 30 Jahre seit Einführung der angereicherten Körnchen fühlen sie sich noch immer bevormundet, das Jod gilt ihnen als künstlich, allgegenwärtig und unkontrollierbar. Zahlreiche Internetblogs warnen vor der "Zwangsmedikation" der Menschen. Die neue Mode, die Salze zu Gourmetprodukten adelt, verschlechtert das Image des Jodsalzes weiter. Zu unrecht. Fünf Gründe, warum Jodsalz sinnvoll ist.

1. Jod ist für den menschlichen Körper unabdingbar

Tatsächlich ist Jod nichts Künstliches, das natürliche Element kommt in der Natur und im Körper des Menschen vor. Allerdings steckt nicht mehr ausreichend Jod in deutschen Böden, deshalb gelangt nicht genug davon in die Nahrung. Ohne ausreichend Jod leidet die Funktionstüchtigkeit der Schilddrüse, ihr droht die Unterfunktion. Kinder mit ausgeprägtem Jodmangel riskieren Entwicklungsstörungen, Hördefekte, verminderte intellektuelle Leistung und Lernschwäche. Nehmen Schwangere zu wenig Jod auf, können ihre Kinder geistig behindert zur Welt kommen.

2. 30 Prozent der Deutschen nehmen nicht genug Jod auf

Zwar gilt Deutschland mittlerweile nicht mehr als Jodmangelgebiet gilt, aber die Jodzufuhr reicht nach Einschätzung der Fachgesellschaften nur knapp aus. Etwa jeder dritte Erwachsene nimmt weniger Jod auf als nötig. Bei Kindern haben fast zwanzig Prozent einen ausgeprägtes Joddefizit, sieben Prozent sogar einen schweren Mangel.

Das liegt auch daran, dass sich die Industrie - anders als Jodgegner kolportieren - noch immer schwer mit dem jodierten Salz tut. In einer aktuellen Umfrage des Arbeitskreis Jodmangel unter 40 Lebensmittelherstellern gaben nur 18 Prozent an, ausschließlich Jodsalz zu verwenden. Die Ursachen sind unterschiedliche Regelungen innerhalb Europas, die Exporte verkomplizieren, aber auch die ablehnende Haltung mancher Verbraucher.

3. Normale Ernährung deckt den Bedarf kaum

Der Jodmangel in Deutschland wäre sicher noch größer, wenn das Salz nicht jodiert wäre. Denn Nahrungsmittel ohne angereichtertes Salz decken den Jodbedarf nur ungefähr zur Hälfte. Erwachsene müssten täglich Seefisch essen, um auf die empfohlene Menge von 200 Mikrogramm zu kommen. Wer keinen Fisch mag, müsste Tag für Tag ein bis zwei Kilogramm Milch oder Milchprodukte zu sich nehmen oder aber an die 40 Eier verspeisen. Für Veganer wird es noch schwieriger: Sie bräuchten fünf Kilogramm Gemüse oder zehn Kilogramm Obst auf dem Teller, um den Tagesbedarf zu decken.

Wahre Jodbomben sind lediglich Algen oder Seetang, allerdings schwankt ihr Jodgehalt so sehr, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung vor diesen Produkten warnt. Ein Gramm getrocknete Algen kann bis zu 11 000 Mikrogramm Jod enthalten, damit wird der in Deutschland geltende Grenzwert mehr als 20-fach überschritten. Ein solcher Jodexzess kann auf längere Sicht eine Schilddrüsenüberfunktion oder die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis begünstigen.

So viel Jod braucht der Mensch pro Tag

Säuglinge bis 4 Monate: 40 µg

Säuglinge 4 Monate bis 12 Monate: 80 µg

Kinder 1 bis 4 Jahre: 100 µg

Kinder 4 bis 7 Jahre: 120 µg

Kinder 7 bis 10 Jahre: 140 µg

Kinder 10 bis 13 Jahre: 180 µg

Jugendliche und Erwachsene 13 bis 51 Jahre: 200 µg

Erwachsene ab 51 Jahre: 180 µg

Schwangere: 230 µg

Stillende: 260 µg

(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung)

Mehr über den Nährstoffbedarf für werdende Mütter lesen Sie auch in unserem Ratgeber Schwangerschaft.

4. Jodsalz kann kaum überdosiert werden

Beim Salz ist die Jod-Überdosierung nahezu ausgeschlossen. Man müsste schon 25 Gramm Salz - das sind etwa fünf Teelöffel voll - täglich konsumieren, um den in Deutschland gültigen Grenzwert von 500 Mikrogramm zu erreichen. Dabei ist dieser Wert besonders streng bemessen. Die WHO hält das Doppelte für vertretbar. Selbst Menschen, die bereits eine Schilddrüsenerkrankung haben, droht - so mehrere Fachgesellschaften und das Bundesinstitut für Risikobewertung - durch die Mengen, die im Salz enthalten sind, keine Gefahr.

5. Jodsalz schmälert den Genuss nicht

Jod wird nur dem Tafelsalz zugesetzt, das wesentlich schnöder wirkt als die zarten Flocken eines Fleur de Sel. Werden Menschen hier um wertvolle und schmackhafte Minerale gebracht? Natürliches, nicht jodiertes, Salz besteht zu 98 bis 99 Prozent aus Natriumchlorid. Den Rest bilden Spurenelemente in so geringer Menge, das sie für die Gesundheit keine Rolle spielen. Viel zu hohe Salzmengen wären nötig, "um diese Spurenelemente und Mineralstoffe auch nur in nennenswerten Kleinstmengen zu sich zu nehmen", erläutert Roland Gärtner, Internist und Endokrinologe aus München.

Minimalistisch sind auch die Geschmacksunterschiede zwischen den Salzsorten: US-Forscher haben vor einigen Jahren 45 verschiedene Salze verkosten lassen, das jodierte Exemplar stach weder postitiv noch negativ hervor. Auch die viel gepriesenen Aromen der Edelsalze fielen den professionellen Verkostern kaum auf. Verbraucher mit weniger trainierten Geschmacksknospen dürften von den vermeintlichen Vorzügen der Edelsalze rein gar nichts merken.

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