30 Jahre Lebertransplantationen in München:Wenn der Mut zurückkehrt

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Beate Maier bekam in der Schwangerschaft eine neue Leber. Zwei Wochen später kam ihr Kind zur Welt. (Foto: Privat)

Beate Maier bekam 2005 in München eine neue Leber - als erste Schwangere in Deutschland. Über das Leben mit einem neuen Organ.

Von Wiebke Harms

Zwei Wochen nachdem die Ärzte Beate Maier eine neue Leber eingepflanzt haben, hebt ihre ungeborene Tochter auf dem Ultraschallbild die Hand und winkt. Dieser Fötus, von dem die Ärzte nicht wussten, ob er sich trotz Narkose und Medikamenten zu einem gesunden Baby entwickeln würde. Maier war in der 13. Woche schwanger, als sie eine neue Leber bekam, weil Hepatitis-Viren ihre Leber zerstört hatten.

"Schauen Sie auf den Monitor", rief die Krankenschwester an diesem 18. August 2005 darum ganz aufgeregt. Maier hat sich das Datum ganz genau gemerkt. Die Ärzte hatten sie gefragt, ob sie das Baby abtreiben wolle. "Ich habe die Operation geschafft. Nun darf das Kind selbst entscheiden, ob es bleiben will", sagte Maier. Das Kind blieb. Heute ist Maiers Tochter Franziska neun Jahre alt.

Als die Mediziner im Klinikum Großhadern die damals 31 Jahre alte Maier ganz oben auf die Warteliste für ein Organ setzten, gaben sie ihr noch drei Tage. "Da war keine einzelne lebende Leberzelle mehr", sagte ein Arzt später zu Maier. Sie kann sich kaum an die dramatischen Stunden erinnern, das Fieber vernebelte ihr die Sinne.

Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. Als an einem Donnerstag Maiers Haut zu jucken begann, spielte sie in ihrem Haus in der Nähe von Ottobeuren mit ihrem anderthalb Jahre alten Sohn. Sie bekam Ausschlag, mal auf dem Rücken, mal auf den Oberschenkeln. Ihr Arzt vermutete eine Allergie. Doch einige Tage später schmerzten Maiers Glieder, sie war schlapp, das Fieber stieg bis auf 40 Grad. Als hätte sie eine schwere Grippe. Ihr Mann musste sie im Rollstuhl in die Notaufnahme schieben, so schwach war Beate Maier. Warum es ihr so schlecht ging, fanden die Ärzte bei diesem ersten Besuch im Krankenhaus nicht heraus. Aber, dass sie ein Kind erwartete.

In den kommenden Wochen kam sie noch mehrmals in verschiedene Krankenhäuser, bis sie schließlich mit rasant schlechter werdenden Leberwerten auf der Intensivstation in Großhadern landete. Dort unterschrieb sie die Einwilligung für eine Transplantation - als erste Schwangere in Deutschland.

Heute nimmt sie morgens und abends eine Kapsel mit Immunsuppressiva. Sie drosseln ihr Abwehrsystem, das sonst versuchen könnte, die fremde Leber abzustoßen. In den ersten Jahren nach der Transplantation war sie noch sehr vorsichtig, trug an kalten Tagen einen Mundschutz, fasste keine Türklinken an. "Je länger die OP her ist, desto mutiger wird man", sagt Beate Maier heute. "Aber eigentlich hat sich für mich körperlich nichts verändert."

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Das sagt auch Thomais Zika, die ebenfalls mit einer fremden Leber lebt. Nur fettiges Essen vertrage sie nicht so gut - dabei isst sie so gern Frittiertes. "Aber manchmal gönne ich mir eine Sünde", sagt sie und lacht.

Zika war vor 25 Jahren eine der ersten Patientinnen, der die Ärzte in Großhadern eine fremde Leber einpflanzten. In der Klinik der Medizinischen Hochschule in Hannover hatten die Ärzte damals zwar schon mehr Lebern als in München transplantiert. "Aber ich habe meinen Operateur kennengelernt und fand ihn toll", sagt sie. Ihre Chance zu überleben habe damals statistisch bei 40 Prozent gelegen, erinnert sich die 66-Jährige. Heute überleben fast 90 Prozent das erste Jahr und immerhin etwa 80 Prozent die ersten fünf Jahre nach der Transplantation.

Thomais Zika litt unter einer sogenannten primär biliären Zirrhose, einer Autoimmunerkrankung, bei der sich die Leber entzündet. Etwa zwei Monate lang wartete sie auf ein neues Organ, musste immer erreichbar sein. Zweimal bekam sie einen Anruf und fuhr ins Krankenhaus. Doch beide Male gab es einen Menschen, der die Leber noch dringender brauchte. "Ich habe es beide Male so hingenommen", sagt Zika. Sie könne schließlich nicht beurteilen, wer das Organ dringender brauche. Der dritte Anruf kam schließlich am 15. Januar 1990. Die Operation dauerte achteinhalb Stunden. Später erfuhr Zika, dass ihre neue Leber einem 17-Jährigen gehörte. Er war irgendwo in Bayern mit dem Motorrad verunglückt. Genaueres durfte sie nicht erfahren, nur dass seine Eltern der Organspende zustimmten. "Eine sehr große Geste", sagt die Empfängerin.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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