Influenza:Warum Grippeviren so gefährlich sind

Grippe-Erreger sind erfolgreiche Schlamper. Durch Fehler verändern sie sich - und konfrontieren die Welt damit immer wieder mit neuen Formen.

Von Hanno Charisius

Das Grippe-Virus ist so ein einfaches Ding, und trotzdem bekommt der Mensch es nicht in den Griff. Es hat nur acht Gene, die es in einer Hülle aus Proteinen und Fetten versteckt. Mit dem bisschen Erbgut schafft es der Erreger, sich die Zellen untertan zu machen, die er befällt. Die Folgen spüren Menschen weltweit, jedes Jahr wenn die Grippesaison beginnt. In Deutschland wurden in der vergangenen Woche 15 188 Influenza-Infektionen im Labor diagnostiziert, bisheriger Höchststand der aktuellen Grippewelle.

Die Viren wehren sich durch Schlampigkeit vor den Attacken des menschlichen Immunsystems. Um sich zu vermehren, programmieren sie die Zellen ihrer Opfer genetisch so um, dass diese fortan Viruspartikel produzieren. Während das Viruserbgut vervielfältigt wird, schleichen sich immer zahlreiche Fehler ein. Einige davon führen zu äußerlichen Veränderungen der Viren, wodurch sie das menschliche Immunsystem nicht mehr erkennt, und auch der Impfstoff aus dem Vorjahr wirkungslos wird.

Jedes Jahr ziehen deshalb andere Viren um die Erde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO versucht das Geschehen vorherzusehen und gibt Empfehlungen an die Länder, gegen welche Erreger sie Impfstoffe produzieren sollten. Manchmal liegen die Experten richtig, manchmal daneben. In diesem Jahr zum Beispiel grassiert in Deutschland ein Virus, das in der WHO-Prognose gar nicht auftauchte.

In den USA heißt das Haupt-Virus in dieser Saison hingegen H3N2 und beschert den Amerikanern eine der heftigsten Grippewellen seit Jahren. Dass dieser Erreger dort gerade derart wütet, überrascht Influenza-Expertin Silke Buda vom Robert-Koch-Institut (RKI), denn er war schon im Vorjahr vertreten. Damals bereitete er auch in Deutschland Probleme. "H3N2 gehört zu den Viren, die sich am schnellsten verändern", sagt Buda, damit ließe sich zumindest teilweise erklären, wie ein Virus in zwei aufeinander folgenden Jahren solche Wellen auslösen kann. Viele Dinge seien bei der Influenza aber noch nicht verstanden. Das liegt auch an der Vielzahl von Influenza-Subtypen, die sich zunächst anhand der Molekülen auf ihren Oberflächen unterscheiden lassen. Es gibt 18 verschiedene Hämagglutinin-Moleküle und elf Neuraminidasen, die als H beziehungsweise N abgekürzt werden.

Die prominentesten Vertreter der Influenza-Familie

H1N1

Viren dieses Typs sind als "Spanische Grippe" in die Geschichte eingegangen. 1918 zogen sie als Pandemie um die Welt und töteten mehr als 50 Millionen Menschen. 2009 waren es Viren dieses Subtyps die unter dem Namen "Schweinegrippe" (obwohl sich Schweine nicht infizieren konnten) wieder um die Welt zogen. Sie werden inzwischen als harmloser eingestufte als die Vertreter typischer Grippewellen im Winter.

H5N1

Vogelgrippe, Geflügelpest, es gibt verschiedene Namen für diesen Subtyp, der für Vögel und Menschen sehr gefährlich ist. Bisher haben sich alle betroffenen Menschen bei Vögeln infiziert, eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bislang nicht beobachtet. Sollte dem Virus dies zum Beispiel durch eine Mutation irgendwann gelingen, befürchten Experten eine weitere weltumspannende Pandemie.

H7N9

Auch diese Influenza-Variante befällt Vögel und Menschen. Sie tauchte erstmals 2013 auf und wurde seither bei mehr als 1400 Menschen gefunden, fast ein Drittel der Infizierten ist gestorben. Befallene Vögel scheinen hingegen nur schwache Symptome zu entwickeln. Wahrscheinlich infizierten sich die meisten Betroffenen auf Geflügelmärkten mit dem gefährlichen Erreger, wo sich Menschen und Tiere auf engstem Raum aufhalten. Laut WHO kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Virus auch von Mensch zu Mensch springt. Der Experte für neue Infektionskrankheiten, Guan Yi von der University of Hong Kong, bezeichnete diesen Subtyp deshalb im Fachjournal Science als "größte Bedrohung der letzten 100 Jahre".

H5N8

Dieser Subtyp ist äußerst gefährlich für Vögel, aber nicht für Menschen. 2016/2017 kam es zum bislang heftigsten Ausbruch dieser Vogelgrippe in Deutschland.

H3N2

Ein vergleichsweise junger Erreger, weshalb ältere Menschen schlechter vor ihm geschützt sind. Ihr Immunsystem hat sich noch nie mit einem solchen Subtyp auseinander setzen müssen. Das könnte erklären, warum die Erkrankung bei Älteren oft sehr schwer ausfällt. Weil sich dieser Subtyp so schnell verändert funktionieren die Impfstoffe oft nicht sehr zuverlässig.

Wie sich die Grippewelle in Deutschland entwickeln wird, kann auch Silke Buda vom RKI nicht vorhersagen. "Die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen bei Kindern ist zuletzt nicht mehr so stark gestiegen." Das könnte ein Anzeichen dafür sein, "dass sich die Grippewelle nicht weiter mit der Dynamik entwickelt, die wir zuletzt gesehen haben".

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