Infektionskrankheiten:Wie man sich Noroviren am besten vom Leib hält

Schon winzigste Mengen der Erreger reichen, um den Infizierten zeitweise ihre Würde zu rauben: Noroviren gehen derzeit wieder um in Deutschland und lassen viele Menschen zu Desinfektionsmitteln greifen. Wirksamer aber ist ein viel simpleres Mittel.

Christina Berndt

Es gibt eine neue Seuche in Nordamerika. Sie ist nicht infektiös im Sinne einer ansteckenden Krankheit, aber doch allgegenwärtig. Gemeint sind Spender mit Händedesinfektionsmittel, auf die jeder Besucher inzwischen an vielen Stellen trifft und die keimfreie Finger sowie die Abwehr von Krankheiten versprechen.

"Gesunde Hände beginnen hier" steht auch auf den vielen weißen Spendern in Vancouver, wo sich zurzeit Tausende Wissenschaftler aus aller Welt zur Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) treffen. Die angeblichen Garanten von Sauberkeit und Gesundheit ermahnen Besucher in Cafés, an Trinkwasserautomaten und am Ende von Rolltreppen, wo der unvorsichtige Gast ja womöglich einen mikrobenverseuchten Handlauf berührt haben könnte.

Jan Vinjé kann über diese Sauberkeitsideologie nur lachen. Der gebürtige Niederländer leitet an der US-Seuchenschutzbehörde CDC ein Programm zur Überwachung von Infektionskrankheiten. Vor Grippeviren könne das Desinfektionsmittel tatsächlich schützen, sagt er, "aber Grippeviren fallen auch sehr leicht auseinander".

Gegen die allermeisten Viren und Bakterien helfe die alkoholische Lösung aus den kleinen Spendern dagegen wenig. Normales Händewaschen sei erheblich effektiver. Wer das mit genügend Hingabe mache, reibt mehr, verwendet ein wirksameres Detergens und nutzt beim Abtrocknen gleich noch einmal die Kraft mechanischer Zerstörung, deren Wert "man nicht unterschätzen soll", erklärt Vinjé.

Besonders hartnäckig sind zum Beispiel Noroviren, die als Erreger von Durchfall und Erbrechen inzwischen einige Berühmtheit erlangt haben. Saisonbedingt gehen sie derzeit auch in Deutschland wieder um. Seit Mitte der 1990er Jahre erst können Wissenschaftler die 1968 entdeckten Noroviren bei infizierten Menschen nachweisen; seither wachsen die Erkrankungszahlen weltweit ständig an.

Doch das ist wahrscheinlich nur ein Effekt genaueren Hinsehens, betont Vinjé. Noroviren seien nicht neu; sie würden schon seit langem von Mensch zu Mensch ziehen. Wer immer an einer Magen-Darm-Grippe leidet, hat sich mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit ein Norovirus eingehandelt. Auch knapp 60 Prozent aller Fälle von Lebensmittelvergiftungen gehen in den USA und Europa auf die kleinen, rundlichen Viren zurück, die damit erheblich häufiger sind als etwa Salmonellen. "Diese Viren sind sehr demokratisch", sagt Vinjé, "sie befallen jeden."

Das liegt vor allem daran, dass schon die unglaublich winzige Zahl von zehn bis 100 Erregern reicht, um einem Menschen zeitweise die Würde zu nehmen. Wer sich die Viren einfängt, wird binnen zwölf bis 18 Stunden krank, und kann, wenn er selbst längst wieder gesund ist, noch wochenlang Erreger ausscheiden, berichtete Natalie Prystajecky von der University of British Columbia während der AAAS-Tagung.

Die Viren überleben minus 20 bis plus 60 Grad

Das Perfide an den Noroviren ist ihre extreme Widerstandskraft. Auf einem Teppich haben sie nachweislich zwölf Tage überlebt, und Temperaturen zwischen minus 20 und plus 60 Grad halten sie mühelos aus. Die Übertragungswege sind vielfältig. "Man kann sich durch direkten Kontakt anstecken, aber auch durch Tröpfchen in der Luft, kontaminierte Oberflächen oder einen von einem Infizierten zubereiteten Salat", ergänzte Prystajecky.

Wie wenig gewöhnliches Desinfektionsmittel aus einem der neuerdings verbreiteten Spender den Erregern ausmacht, hat ein gut dokumentierter Fall gezeigt, von dem Ewen Todd, ein früherer Virenjäger der kanadischen Regierung, während der AAAS-Tagung berichtete. An einer Schule in San Francisco erbrach sich ein Schüler auf die Griffe einer Tür. Schnell war eine Putzfrau zur Stelle, und die Türgriffe wurden desinfiziert. "Trotzdem wurden in den folgenden zwei Tagen mehr als 300 Schüler und Lehrer dieser Schule krank", sagte Todd.

Die Viren verändern sich alle zwei bis drei Jahre

Die hochansteckenden Noroviren halten auf solche Weise jährlich Millionen Menschen vom Arbeiten ab und fordern unter Alten und Kindern auch Todesopfer. Zahlreiche Labors versuchen deshalb, einen Impfstoff zu entwickeln. Das sei aber nicht so einfach, berichtete Charles Arntzen von der Arizona State University. Denn die Viren verändern sich alle zwei bis drei Jahre erheblich. Zudem gelangen sie nicht wie andere Erreger in die Blutbahn, sondern greifen die Schleimhäute von Magen und Darm an. Es sei daher nötig, den Impfstoff über Nase oder Mund direkt auf die Schleimhäute zu geben, sagte Arntzen. In vier bis fünf Jahren, glaubt er, könnte so ein Vakzin zur Verfügung stehen.

Ob wir den Kampf gegen diese Viren am Ende gewinnen oder verlieren?", fragte sich Natalie Prystajecky. "Im Moment ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen." Wer persönlich möglichst ein Sieger bleiben will, sollte auf althergebrachte Hygieneregeln bauen, betonte Vinjé: "Man kann es nicht oft genug sagen. Was wirklich hilft, ist: Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen." Aus diesem Grund können die weißen Spender mit dem Desinfektionsmittel sogar zum Risiko werden: Weil Menschen, die die vermeintlich schützende Alkohollösung verwendet haben, ihre Hygieneerziehung vernachlässigen.

Der "Risikofaktor Desinfektionsmittel" ist seit einigen Monaten sogar wissenschaftlich belegt (American Journal of Infection Control, Bd. 39, S. 296, 2011). Im Winter 2006/07 wütete in Neuengland eine besonders hartnäckige Noro-Epidemie. Betroffen waren, wie so oft, vor allem Altenheime. Als der "Epidemic Intelligence Service" der CDC schließlich ausrückte, stellte er fest: Das Risiko für die Senioren war sechsmal so groß, wenn das Pflegepersonal Desinfektionsmittel statt Wasser und Seife verwendete.

Immerhin werden auch klassische Reinigungsmethoden in Vancouver propagiert. An öffentlichen Waschbecken erklären sechsteilige Bildergeschichten, wie das noch geht, sich richtig die Hände zu waschen.

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