Infarktrisiko:Herzschmerz der Frauen

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Auf Stress reagieren die Geschlechter unterschiedlich. Bei Männern steigen Puls und Blutdruck an; bei Frauen verringert sich hingegen die Durchblutung des Herzmuskels. Das könnte sich auf die Schwere von Herzleiden auswirken.

Von Werner Bartens

Wenn das Herz schwer wird, ist das zumeist keine Frage des Gewichts. Kummer, Ärger, Stress und andere emotionale Belastungen nagen an der Blutpumpe des Menschen. Der buchstäbliche Stich ins Herz kann eine gefühlte Folge der Bedrängnis sein, aber auch Herzrasen, Herzdrücken und Herzstolpern stellen sich manchmal ein. Japanische Forscher haben vor 25 Jahren sogar das "gebrochene Herz" beschrieben: Vor lauter Gram und innerer Not bekommen manche Menschen ähnliche Beschwerden wie bei einem Infarkt - obwohl das Herz physiologisch intakt ist.

Aber wenn nun die Herzen von Männern wie Frauen durch Stress und seelische Pein in Mitleidenschaft gezogen werden können, scheint es in der spezifischen Reaktion des Organs Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu geben. Im Journal of the American College of Cardiology zeigen Ärzte der Duke University in Durham, dass bei gestressten Männern eher Puls und Blutdruck ansteigen, während sich bei Frauen unter Belastung die Durchblutung des Herzmuskels verringert (Bd. 64, S. 1669, 2014). Zudem bilden sich bei Frauen leichter Blutgerinnsel, was sich in einer verstärkten Verklumpungsneigung der Blutplättchen zeigt.

Chronische Unzufriedenheit erhöht das Infarktrisiko stärker als das Rauchen

Mediziner um Zainab Samad haben mehr als 300 Erwachsene mehreren Stresstests unterzogen. So mussten sie komplexe Rechenaufgaben lösen, bewegte Spiegelschrift entziffern und sich an ärgerliche Situationen erinnern. Im Anschluss an diese mentalen Belastungen wurde auf dem Ergometer unter körperlicher Anstrengung die Herzfunktion untersucht.

Die kardiovaskulären Einschränkungen, die Frauen als Folge von Stress erleiden, wirken sich womöglich stärker auf die Schwere und Prognose von Herzleiden aus, so eine Schlussfolgerung der Autoren. Schließlich kann eine Minderdurchblutung des Herzmuskels unmittelbar zum Infarkt führen, und die beobachtete Verdickung des Blutes verstärkt die Neigung zu Thrombosen und Embolien. "Da mentaler Stress Männer und Frauen auf unterschiedliche Weise beeinträchtigt, müssen wir überlegen, ob wir sie künftig bei Herzbeschwerden nicht auch unterschiedlich untersuchen und behandeln müssen", sagt Samad.

Frauen zeigen unter Belastung zudem mehr negative Emotionen als gestresste Männer. Sie sind häufiger traurig, angespannt und ängstlich, wenn sie sich angestrengt oder gar überfordert fühlten. Schon lange wissen Mediziner, dass negativ empfundener Stress ("Distress") das Herz angreifen kann, während Belastungen, die als angenehm empfunden werden ("Eustress"), sogar gesund sind.

Eine internationale Studie im Fachblatt Lancet hat vor einigen Jahren das Ausmaß deutlich gemacht: Demnach erhöhen chronische Unzufriedenheit und Belastungen in Beruf, Familie oder Partnerschaft das Risiko für einen Infarkt um den Faktor 2,67 - und damit fast so sehr wie der klassische Risikofaktor Rauchen (Faktor 2,87) und stärker als Diabetes (Faktor 2,37) und Bluthochdruck (Faktor 1,91). Schwedische Forscher hatten - ebenfalls im Lancet - ermittelt, dass Ängste und Phobien eher zu Rhythmusstörungen führen, Depressionen die Neigung zu verengten Kranzgefäßen erhöhen, während Ärger und Frustration die Gefäßverkalkung förderten.

Immerhin gibt es auch Hoffnung aus der Psycho-Ecke, wenn das Herz in Mitleidenschaft gezogen ist: Nach einem Bypass bleiben die Umleitungsgefäße am längsten bei jenen Menschen offen, die sich von ihrem Partner geschätzt, geliebt und unterstützt fühlen. In einer Studie lebten 15 Jahre nach dem Eingriff noch zweieinhalbmal so viele Bypass-Patienten, die von einer glücklichen Beziehung mit ihrem Partner berichteten, im Vergleich zu jenen, bei denen es zu Hause nur Stress und Ärger gab - und die Gefäße früher wieder dicht machten.

© SZ vom 14.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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