Patienten erwarten vom Arzt, dass dieser die bestmögliche Hilfe leistet oder zumindest empfiehlt. Mediziner allerdings wollen mit ihrer Arbeit etwas verdienen. Und eine Möglichkeit, ihren Verdienst aufzustocken, ist das Angebot von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Diese werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt. Vielmehr muss der Patient selbst zum Portemonnaie greifen.
Und das tut er: Wie eine aktuelle Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt, haben fast 30 Prozent der Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen in den vergangenen zwölf Monaten ein entsprechendes Angebot bekommen. Damit hat sich dieser Anteil seit 2001 (etwa neun Prozent) mehr als verdreifacht. Die Fachleute gehen von insgesamt 26,2 Millionen Angeboten aus, die Ärzte ihren Patienten in Deutschland gemacht haben. In Anspruch genommen wurden davon etwa 18,2 Millionen. Da die Leistungen im Schnitt etwa 70 Euro kosten, verdienten die Mediziner in Deutschland 2012 auf diese Weise insgesamt etwa 1,3 Milliarden Euro.
Zum IGeL-Angebot gehören zum Beispiel der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, Akupunktur gegen Kopfschmerzen, Bach-Blütentherapie oder Ultraschall zur Früherkennung von Eierstock- oder Brustkrebs.
Häufig fragen sich die Patienten, wieso diese Untersuchungen oder Behandlungen nicht von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt werden, obwohl ihr Arzt ihnen doch eine Broschüre dazu in die Hand gedrückt hat. Man möchte unterstellen, dass die Mediziner selbst vom Sinn und Nutzen der IGeL überzeugt sind. Doch beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) geht etwa Vorstandsmitglied Gerd Billen davon aus, dass viele Ärzte das Vertrauen der Patienten ausnutzen. Die Verbraucherschützer kritisieren auch, dass die Patienten in den Arztpraxen nicht angemessen informiert werden.
Zwar gilt seit diesem Jahr ein Patientenschutzgesetz, demzufolge der Arzt - und nicht die Arzthelferinnen - über IGeL aufklären und auf die Kosten hinweisen. Doch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) ist damit noch nicht zufrieden. Die meisten Angebote, für die die Patienten selbst zahlen müssen, lohnen sich für den Arzt - nicht aber für die Betroffenen, erklärte der Dienst der Nachrichtenagentur dpa. Und ausgerechnet unter jenen IGeL, die am häufigsten in Anspruch genommen würden, seien praktisch keine mit deutlich erwiesenem Nutzen.
Deshalb sei es "ganz wichtig, sich erstmal aufklären zu lassen und nachzufragen, warum der Arzt die Leistung für sinnvoll hält", sagte Michaela Schwalbe von der Beratungsstelle Berlin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) der dpa. Patienten sollten sich dann erst einmal Bedenkzeit nehmen.
In dieser Zeit könnten sie zum Beispiel den IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes im Internet nutzen. Seit einem Jahr wird dort eine Reihe von IGeL-Leistungen danach beurteilt, ob sie schädlich oder nützlich sind, oder ob sie noch nicht ausreichend geprüft wurden, um ein Urteil darüber zu fällen.