Implant Files:"Die Tagesklinik nach 45 Minuten verlassen"

Implant Files: Der Hauptsitz der Bayer AG in Leverkusen.

Der Hauptsitz der Bayer AG in Leverkusen.

Die Essure-Verhütungsmethode ist umstritten, weil viele Trägerinnen über Schmerzen und Gesundheitsschäden klagen. Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR wurde Essure auch in Deutschland implantiert.

Von Anna Reuß

Die Essure-Verhütungsmethode bekam im Jahr 2001 vom TÜV Süd ein sogenanntes CE-Kennzeichen; damit durfte das Sterilisationsimplantat in der gesamten Europäischen Union verkauft und implantiert werden. Bereits ein Jahr später war Essure laut der amerikanischen Aufsichtsbehörde FDA in Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Italien, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, der Schweiz, Großbritannien und Deutschland verfügbar.

Wie vielen Frauen die Verhütungsspirale eingesetzt wurde, ist unklar. Noch 2017 teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Anfrage mit: "Der Hersteller hat uns versichert, dass Essure in Deutschland nicht im Verkehr ist." Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR wurde das umstrittene Verhütungsprodukt in Deutschland jedoch sehr wohl implantiert.

Bayer bestätigte, dass eine "sehr geringe Zahl" abgegeben worden sei. Eine Vertriebsstelle habe zwischen 2002 und 2013 215 Packungen verkauft. Essure wurde in Deutschland nie so groß beworben wie etwa in Frankreich - nach den USA dem größten Absatzmarkt für Essure. In Deutschland sind Sterilisationen generell wenig verbreitet. Nur zwei bis drei Prozent aller Frauen verhüten auf diese Weise, in den USA sind es etwa fünfmal so viele.

Mindestens fünf gynäkologische Praxen hatten Essure zumindest zeitweise laut ihren Internetseiten oder laut einem Portal des Bundesverbands der Frauenärzte angeboten. "Die meisten Frauen können die Tagesklinik nach 45 Minuten verlassen und gehen am nächsten Tag wieder ihrer Arbeit nach", hieß es etwa in einem mittlerweile gelöschten Hinweis auf der Homepage einer Berliner Praxis.

Ein Arzt sagte 2005 im Interview mit einem Online-Stadtmagazin, er setze "eine völlig neue Methode, das Essure-Verfahren", ein, sanft und mit geringeren Auswirkungen auf den Körper. Auf Anfrage erklärte er: "Ich fand, Essure war eine sehr gute Methode. Man musste nur wissen, wie." Etwa 40 Mal habe er sie bis circa 2013 angewandt. Ihm sei nicht bekannt, dass eine seiner Patientinnen danach Beschwerden gehabt habe.

Ein anderer Arzt aus dem bayerischen Weißenhorn sagt, dass er auf Essure verzichte, seit "aus den USA mehrere Verfahren wegen Essure bekannt geworden sind".

Nur ein Arzt aus Karlsruhe teilte auf SZ-Anfrage mit, er nutze Essure noch immer, wenn eine Frau dies unbedingt wünsche.

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